Mala Vita
nur so damit rechnen durfte, dass nichts unter den Teppich gekehrt wird.« Die zwei Geheimdienstler wechselten einen schnellen Blick, der d’Aventura nicht entging. »Wie ich bemerke, denken Sie ganz ähnlich über Bruno Sforzano«, fügte er hinzu. Fessoni und Casagrande zuckten nicht einmal mit der Wimper. »Kennen Sie unser entsprechendes sizilianisches Sprichwort?«, redete d’Aventura weiter, ohne sich etwas anmerken zu lassen.
Casagrande verneinte kopfschüttelnd und lächelte unverschämt. »Lassen Sie hören!«
»Kleine Mörder töten mit der Waffe in der Hand, große Mörder mit Geld oder mit Hilfe einer mächtigen Institution, zum Beispiel des Staates. Wir haben es in diesem Fall mit großen Mördern zu tun. Jedenfalls ist das meine Überzeugung.«
D’Aventura fühlte, wie seine innere Anspannung allmählich wuchs, weil seine beiden Begleiter ihr Mienenspiel immer schlechter im Griff hatten. Für ihn lag es auf der Hand, dass es die zwei freundlichen SISMI -Offiziere nicht bei einem lockeren Gespräch unter Berufskollegen bewenden lassen würden. Der Fall Cardone hatte offenkundig genau den Stellenwert, den er selbst ihm zugewiesen hatte.
»Es muss Verbindungen zwischen der Mafia in Palermo und der Anwaltskanzlei am Lago Maggiore geben«, klopfte d’Aventura weiter auf den Busch. »Vielleicht kann mir der Bruder des Toten weiterhelfen.«
»Wie es scheint, haben Sie sich in etwas verrannt«, widersprach Fessoni und schüttelte herablassend den Kopf. »Vermutlich lassen Sie sich auch von Ihrer fixen Idee nicht abbringen, dass möglicherweise der Staat seine Finger im Spiel hat. Ihnen ist tatsächlich nicht zu helfen!«
D’Aventura blickte Fessoni fest in die Augen und sagte: »Weder weiß ich, wie Roberto Cardone denkt, wie er fühlt und wie eng die Verbindung zu seinem Bruder tatsächlich war, noch weiß ich, welche Rolle Ihre Institution dabei spielt. Aber im Augenblick sind Sie mir nicht wichtig. Das Nächste, was mich und meine Mitarbeiter in Palermo beschäftigt, ist: Finden wir Sforzano tot, stehen wir auf dem Schlauch, finden wir ihn lebend, werden wir mehr über die Hintergründe der Tat erfahren. Aber solange wir ihn nicht haben, müssen wir uns an jene Personen halten, die uns etwas erzählen können.« Er schaute die beiden ernst an. »Mehrere Hundert Carabinieri durchkämmen zurzeit jeden nur möglichen Schlupfwinkel in Prizzi und Caltabellotta, alle verfügbaren Kräfte in Palermo sind auf der Suche nach Sforzano. Aber wir drei hier am Tisch wissen doch jetzt schon: Die Wahrscheinlichkeit, ihn lebend zu finden, ist gleich null. Ergo konzentrieren wir uns auf die Frage: Was und wer steckt hinter diesem inszenierten Mord?«
»Sie sagen uns nichts Neues«, erwiderte Casagrande knapp.
»Ach«, knurrte d’Aventura bissig. »Jetzt enttäuschen Sie mich schon wieder! Ich dachte, ich könnte Sie schlauer machen. Dann drehen wir doch einfach den Spieß um, und Sie erzählen mir etwas, was ich noch nicht weiß!« Er lehnte sich zurück, faltete die Hände und beobachtete die beiden Männer mit innerem Vergnügen. Doch wie es schien, überlegten beide immer noch fieberhaft, wie sie mit ihm umgehen sollten.
Der Comandante seufzte, riss eine Packung Grissini auf und knabberte an einer Gebäckstange.
»Nun gut!«, spann er den Faden weiter. »Da Sie nicht wissen, was Sie mir sagen wollen, plaudern wir eben wieder über Dinge, die Sie ohnehin wissen, auch auf die Gefahr hin, dass Sie sich langeweilen.« D’Aventura konnte sich seine Häme kaum verkneifen. »Sehen wir einfach den Tatsachen ins Auge! Dem Spähersystem der Mafia in den Bergen und ihren zahllosen Verstecken und Fluchtwegen haben wir nichts entgegenzusetzen. Der Zufall oder Männer wie Sie werden uns wieder einmal helfen müssen, wenn wir diesen dubiosen Mordfall aufklären wollen.«
»Sie brauchen sich nicht über uns lustig zu machen, verehrter d’Aventura«, begann Fessoni endlich. »Selbstverständlich befassen wir uns eingehend mit der Sache Cardone. Nach Auswertung des Videobandes ist auch uns längst klar, dass die dramatische Exekution eines unbedeutenden Rechtsanwaltes darauf hindeutet, dass das Opfer so unbedeutend nicht war. Er muss ein wichtiges Mitglied der Ehrenwerten Gesellschaft gewesen sein. Und nicht nur das. Für uns liegt es auf der Hand, dass Enrico Cardone zur existenziellen Gefahr für einige Herren des inneren Kreises der Mafia geworden war.«
D’Aventuras zog die Augenbrauen zusammen. »Tun Sie nicht so
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