Mala Vita
wollten ihn sicher weich kochen und aushorchen. Er wusste, welche Antworten er geben und welche Köder er ihnen vor die Nase halten würde.
Das Feinschmeckerlokal »Donatello« in der Via Righi Augusto, ganz im Stil der vorigen Jahrhundertwende gehalten, war gut besucht. Kein Wunder, die Küche genoss den Ruf, einheimische Speisen exzellent zuzubereiten. Hier verkehrten namhafte Künstler und Politiker, und die Gäste nahmen oft einen weiten Weg und lange Wartezeiten in Kauf, nur um sich hier mit typischen Gerichten aus der Emilia Romagna verwöhnen zu lassen. Nirgendwo in der Stadt bekam man so gute
pasta
, und die
rigatoni spazzacamino
ließen auch den verwöhntesten Gaumen in Verzückung geraten.
Die Männer hatten einen ruhigen Tisch in einer Nische ausgewählt, die mit unzähligen Fotografien berühmter Persönlichkeiten tapeziert war, die dem Restaurant und seiner Küche dankten. D’Aventura nahm die vor ihm kunstvoll aufgerichtete Serviette beiseite, räusperte sich und wandte sich an Casagrande.
»Dieser Bruder von Cardone«, sagte er, »ich glaube, er heißt mit Vornamen Roberto …«
»Was ist mit ihm?«, fragte der Maggiore, ohne sich beim Studium der Speisekarte stören zu lassen.
»Sie sagten vorhin selbst, es gebe Berührungspunkte, Sie nannten es vorhin – glaube ich – Überschneidungen. Also nehme ich an, dass Sie einiges über ihn wissen. Was macht er beruflich?«
Casagrande blickte auf und grinste amüsiert. »Scheinbar haben Sie ihre Hausaufgaben nicht gemacht.«
»Weshalb hätten wir uns um ihn kümmern sollen?«, fragte d’Aventura scheinheilig, lächelte verbindlich und fuhr fort: »Sie geben mir sicherlich Nachhilfeunterricht.«
»Er dichtet Verse, schreibt kleine Büchlein, und wenn ich mich auf unsere Erkenntnisse und Recherchen verlassen darf, liest er bildungshungrigen Damen mittleren Alters in stimmungsvollem Rahmen aus seinen Werken vor. Meiner Meinung nach ist er eine romantische Existenz mit poetischer Ader. Er hatte kaum Kontakt mit seinem Bruder. Ich vermute, die beiden mochten sich nicht besonders. Zumindest hört man das in ihrem Heimatdorf Premeno. Roberto Cardone wohnt seit mehr als zehn Jahren hier im Centro Storico in der Vicolo Santa Lucia, Hinterhaus, dritter Stock, zusammen mit seinem Dichterfreund Carlo Alberti. Aber das wissen Sie längst, sonst wären Sie nicht nach Bologna gekommen.«
»Was ist das hier?«, knurrte d’Aventura. »Katz und Maus?«
»Sie sind viel zu misstrauisch, verehrter d’Aventura!«, erwiderte Casagrande und versuchte ein freundliches Lächeln. »Ich würde es einen kollegialen Austausch von Informationen nennen.«
»Dann wäre ich Ihnen dankbar, wenn Sie weitererzählen«, murmelte d’Aventura.
Fessonis arrogante Gesichtszüge schienen noch einen Tick selbstgefälliger zu werden, als er nun sagte: »Die beiden sind unverheiratet, und wir halten sie für überdrehte Spinner. Wahrscheinlich schwul. Wenn Sie die Reise nach Bologna wegen dieses Roberto Cardone gemacht haben, hätten sie sich den Weg sparen können.«
D’Aventura wandte seine Aufmerksamkeit der Speisekarte zu und schien bald etwas nach seinem Geschmack gefunden zu haben. Auch seine Begleiter hatten gewählt und warteten auf den Kellner. »Hat er verdächtige Kontakte, ist er politisch aktiv?«, fragte der Comandante. »Gibt es Anzeichen für ein Doppelleben? Vielleicht Frauen? Spielt er, oder hat er hohe Schulden?«
»Nichts dergleichen.« Casagrande schüttelte den Kopf. »Allerdings, sollte er bisexuell sein, würde ich Frauengeschichten nicht ausschließen.« Er lachte anzüglich. »Aber auch darüber ist mir nichts bekannt.«
In d’Aventuras Miene schlich sich ein tückischer Ausdruck. »
Madonna mia,
Signori! Sie sehen mich überrascht! Der militärische Geheimdienst beherrscht die Ermittlungsarbeit beinahe besser als wir in Palermo. Sogar besser als die Kollegen vom Inlandsdienst.«
»Die Kollegen vom SISDE nehmen wir nicht sehr ernst«, entgegnete Casagrande. »Dilettanten, wo man nur hinsieht. Aus Sicht unseres Dienstes ist er völlig überflüssig. Die Aufgaben sollten besser in unsere Zuständigkeit überführt werden. Aber darüber wollten wir uns mit Ihnen nicht unterhalten.«
»Stimmt!«, bestätigte Fessoni knapp.
Casagrande goss sich aus einer Karaffe eisgekühltes Wasser ins Glas und nahm einen Schluck. Dann tupfte er mit der Serviette den Mund trocken, beugte sich über den Tisch zu d’Aventura und sagte leise: »Der SISMI hat ein vitales
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