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Mala Vita

Mala Vita

Titel: Mala Vita Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudio M. Mancini
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einen Pfuhl von Drogen und Waffen, von minderjährigen Müttern und jämmerlichen Wohnungen mit Großbildfernsehern; ein Viertel, in dem die Bewohner bei lebendigem Leib verrotteten. Ein Ort mit einem Namen wie eine düstere Prophezeiung, abstoßend und mitleiderregend zugleich. Das Röcheln des gequälten Bruders hatte sich wie ein unendlicher Widerhall in Cardones Ohren eingenistet.

    Auf Cardone lag bleierne Schwere, und für Carlo gab es nichts, was er seinem Freund hätte sagen können. Hilflos stand er neben ihm, seine Hand auf dessen Schulter, schweigend und bestürzt. Die plötzliche Stille umschloss Roberto wie ein Panzer, der ihm das Herz zu erdrücken drohte. Das Schweigen war so undurchdringlich, als schließe ein luftleerer Raum die Wohnung von der Welt der Lebenden ab. Unvermittelt ging ein Ruck durch Cardone. »Weshalb hat der Mörder in die Kamera gelacht?«, murmelte er wie ferngesteuert. »Ist das eine neue Comedy-Show? Was meinst du, Carlo? Habe ich den Witz nicht verstanden?«
    Carlo befürchtete, sein Freund habe den Verstand verloren. »Was redest du da, Roberto?« Er blickte ihn besorgt an. »Setz dich!« Und er schob den Freund, der mit leerem Blick auf den Fernsehschirm starrte, mit sanfter Gewalt zur Couch. Cardones Beine gaben nach, und er sank kraftlos in die Polster. »Ich bringe dir einen Grappa«, sagte Carlo entschlossen und ging in die Küche.
    Cardone bedeckte mit beiden Händen sein Gesicht, als wolle er nichts mehr sehen. Er hörte nicht, wie sich sein Freund, mit dem er seit Jahren die Wohnung teilte, in der Küche zu schaffen machte, klirrend eine Flasche aus dem Kühlschrank holte und ein Glas füllte. Er hörte auch nicht, wie Carlo zurückkehrte und ihm mit energischen Worten das Glas reichte. Der Tod des Bruders hatte ihn wie ein Keulenschlag getroffen. Sein Bewusstsein, eben noch voller Vorstellungen von der romantischen Begegnung mit einer schönen Frau, die ihn mit sprühenden Augen und lebendigem Charme in den Bann gezogen hatte, konzentrierte sich auf die grausame Gegenwart. Er wendete seinen Blick zum Fenster und starrte in die Dunkelheit. Tausende Bilder zogen an ihm wie ein rasender Film vorbei. Bilder aus Kindertagen, verdichtet auf wenige Augenblicke, schemenhaft und unwirklich. Enrico und er. Fußball spielend, lachend auf dem Schulhof, als Ministranten beim Gottesdienst … In der Ferne hörte er eine Sirene.

    Wie eine geifernde Meute hatte die Presse den Toten vereinnahmt. »Rechtsanwalt vor Kamera hingerichtet«, titelten die Studios landesweit ihre Sondersendungen. »Exekution vor laufender Kamera«, lautete das Schlagwort in den Abendnachrichten der TV -Sender. Während Cardone zu begreifen versuchte, was sich da soeben vor seinen Augen abgespielt hatte, und teilnahmslos die aufgeregten Kommentare über sich ergehen ließ, kämpften Dutzende Reporter um die besten Plätze vor seiner Haustür.
    Politiker aller Parteien nahmen Stellung zu dem verabscheuungswürdigen Verbrechen und zeigten sich bestürzt über das obszöne Drama. Und dennoch, schien es Cardone, als stillten die offiziellen Verlautbarungen lediglich den Quotenhunger der Anstalten und dienten der medialen Profilierung sogenannter Meinungsbildner. Carlo fand, es sei genug. Entschlossen ging er zum Fernseher und schaltete ihn aus.
    Grauenvolle Bilder hatten sich in Cardones Kopf eingebrannt. Er würde sie nie mehr loswerden. »Ich muss etwas tun!«, stöhnte er, »irgendetwas …«, und hob kraftlos die Hände.
    »Du kannst jetzt gar nichts tun, Roberto«, hörte er seinen Freund sagen. »Wenn es dir hilft, können wir darüber reden, wir können aber auch …« Carlo ließ den Satz offen, denn es klingelte an der Wohnungstür. Erst einmal, dann mehrere Male hintereinander.
    »Haben diese Schmierfinken von der Zeitung nicht die geringsten Skrupel?«, fauchte Carlo ungehalten. »Denen werde ich jetzt einige Takte erzählen!« Er stürmte zur Wohnungstür und riss sie auf.
    Stimmengewirr drang durch den Flur. Cardone nahm wie durch dichte Nebel wahr, wie Carlo den Reportern energisch klarzumachen versuchte, dass sein Freund nicht zu Hause sei und man ihn gefälligst in Ruhe lassen solle. Jemand wollte partout Fotos von der Wohnung machen, während eine penetrante Frauenstimme nach einem Statement verlangte. Man wolle warten, bis Signor Cardone zurück sei, solange könne er, Carlo, für einige Fragen zur Verfügung stehen. Gleich darauf vernahm Cardone, wie sein Freund mit einem lauten Knall die

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