Mala Vita
an, dass er nicht im mindesten daran dachte, klein beizugeben.
»Aber nicht, wenn wir den Täter eindeutig identifiziert haben und Sie stattdessen den größten Bauunternehmer Siziliens und einen einflussreichen Parteibonzen …«
»Und Vorsitzenden des Beirates der Gruppo Agosto«, unterbrach d’Aventura den Questore übellaunig.
»Werden Sie nicht spitzfindig!«, brüllte Minetti, dessen Adamsapfel vor Erregung auf und ab hüpfte. »Immerhin ist Massimo Parteichef der Vereinigten Rechten. Und lassen Sie mich gefälligst ausreden!«
Der Chef der Spezialbehörde war von seinem Sessel aufgesprungen, strich die Falten seiner blauen Uniformjacke glatt, richtete sich kerzengerade auf und nahm eine stramme Haltung ein. Dabei wippte er auf den Zehenspitzen, als wolle er sich zur Decke strecken. Minetti, ein Typ mit olivfarbenem Teint, war ein hagerer Mann von kleiner Statur mit Stirnglatze und schütteren, an den Seiten straff nach hinten gekämmten Haaren, die im fahlen Licht glänzten, als habe er sie mit einer Speckschwarte gebürstet. Seine rabenschwarzen, stechenden Augen schienen alles zu durchbohren, was in sein Blickfeld kam. Ein geflügeltes Wort sagt, wenn der Ehrgeiz als Zwerg zur Welt kommt, nennt man ihn Eitelkeit – was den Habitus des Questore treffend beschrieb. Seine blankgewichsten schwarzen Schuhe mit den extra dicken Absätzen und Sohlen machten ihn zwar um einige Zentimeter größer, doch neben d’Aventura wirkte er immer noch wie ein zu kurz geratener Napoleon. Gemessenen Schrittes und mit wichtiger Miene stolzierte er in die Mitte des Zimmers und zog abgemessene Kreise. Abrupt blieb er stehen, machte eine fast tänzerische Drehung in Richtung d’Aventura, der immer noch am Schreibtisch lehnte und den Chefermittler giftig anfunkelte.
Einen Augenblick lang kreuzten sich ihre Blicke feindselig, dann holte Minetti tief Luft. »Sie können nicht einfach einen Parteichef und einen der wichtigsten Arbeitgeber auf der Insel mehrere Stunden in Gewahrsam nehmen«, fauchte er. »Sie sind mit den Signori umgesprungen, als wären sie gewöhnliche Verbrecher. Mit dem Mord an Cardone haben sie nicht das Geringste zu tun. Akzeptieren Sie das gefälligst!«
»Ich habe die Herrschaften eingeladen, weil wir vom Geheimdienst wissen, dass sie enge Kontakte zum Mordopfer pflegten. Und keinesfalls bin ich mit ihnen umgesprungen, wie Sie es nennen. Ich habe sie behandelt wie jeden, den ich nicht leiden kann. Normal.«
Commissario Venaro, der auf einem der Besucherstühle dem Streit folgte, kicherte und erntete prompt einen gehässigen Blick von Minetti. Doch sofort konzentrierte sich der Questore wieder auf d’Aventura, der nach wie vor wie ein Felsblock am Schreibtisch stand. »Sie haben unbescholtene Bürger abholen lassen. Mit einem Polizeifahrzeug der Carabinieri! Sie demütigen ehrenwerte Männer … Außerdem ist Signor Santorini Bürgermeister von Prizzi, und den verfrachtet man nicht einfach in ein Polizeifahrzeug. Der Verteidigungsminister hat mich empört angerufen, weil er sich bei den Signori entschuldigen musste. Er war außer sich, hören Sie? Außer sich!«
»Ich hatte mich mit Oberst Pallardo vorher abgestimmt«, entgegnete d’Aventura.
»Kommen Sie mir nicht mit Pallardo! Er ist Offizier des Inland-Geheimdienstes SISDE , untersteht somit dem Innenministerium. Seine Aufgabe ist es, uns mit Informationen zu versorgen. Nur in Ausnahmefällen kann er mir Weisungen erteilen, mehr auch nicht. Dazu bedarf es allerdings eines ministeriellen Beschlusses. Hat er den?«
»Keine Ahnung«, knurrte d’Aventura grimmig.
»Sehen Sie! Zur Auffrischung Ihres Gedächtnisses, werter Comandante, wir sind hier in der Direzione Investigativa Antimafia, und wir befassen uns mit der aktiven Bekämpfung terroristischer Vereinigungen und mafiöser Strukturen. Und Sie, verehrter d’Aventura, halten sich gefälligst an unsere Regeln!«
»
Mi scusate,
Signor Questore!«, entgegnete d’Aventura, machte eine höfische Verbeugung, indem er graziös ein Bein nach vorn stellte und eine Armbewegung andeutete, als grüße er mit d’Artagnans Federhut. »
Molte grazie
für die Aufklärung! Im Gegensatz zu Ihnen mache ich seit fünfzehn Jahren diesen Job. Was den Kampf gegen die Mafia angeht, sollte sich mittlerweile herumgesprochen haben, dass dabei besondere Bedingungen gelten. Das müsste selbst dem Verteidigungsminister klar sein. Ich werde keine Samthandschuhe anziehen, nur weil der Herr Minister seine Befindlichkeiten
Weitere Kostenlose Bücher