Mala Vita
Haustür zuwarf.
»Diese Medienfritzen kennen keine Hemmungen, wenn es um Sensationen geht«, fluchte er wütend. Kurz darauf machte er sich im Flur zu schaffen und kam mit gezücktem Schraubenzieher zurück ins Zimmer. »Ich habe die Klingel abgestellt. Ich glaube zwar nicht, dass es viel hilft, aber vorläufig haben wir unsere Ruhe.«
Cardone nickte abwesend und murmelte: »Wie komme ich an den Leuten vorbei, wenn ich wegwill?«
»Was soll das?« Die Fäuste in die Hüften gestemmt, stand Carlo vor seinem Freund und blickte ihn fragend an. »Du kannst jetzt nicht die Wohnung verlassen! Die Kerle von der Presse werden wie Wölfe über dich herfallen. Sie werden Fragen stellen wie: Was wissen Sie über den Mafiamord? Oder: Weshalb wurde Ihr Bruder hingerichtet? Oder: Wie fühlen Sie sich, wenn Sie solche Bilder im Fernsehen mit ansehen müssen? Sogar mich haben sie damit gelöchert. Du erlebst doch gerade selbst, in welche Richtung die Berichterstattung geht!«
»Das Schlimmste für mich ist die Ohnmacht, nichts dagegen tun zu können. Aber hier sitzen und die Hände in den Schoß legen kann ich auch nicht.« Cardones Augen starrten ins Leere. Plötzlich murmelte er kaum hörbar, jedoch mit düsterer Entschlossenheit: »Ich muss nach Palermo zur Questura! Ich will wissen, wer für diese miese Kampagne in den Medien verantwortlich ist. Irgendjemand bei den Carabinieri muss der Presse diese diffamierenden Informationen über meinen Bruder gegeben haben. Die saugen sich so etwas nicht einfach aus den Fingern.«
»Im Augenblick musst du gar nichts. Überlege erst einmal in Ruhe, was als Nächstes zu tun ist, Roberto!«
»Enricos Überführung nach Premeno. Er muss beigesetzt werden. Wer soll das Begräbnis organisieren, wenn nicht ich? Das heißt, ich muss mich um eine Grabstelle in Premeno kümmern.« Cardones Gesichtszüge zeigten Wut und Trauer. Er sah Carlos besorgten Blick. »Oder doch erst nach Palermo …?«
Carlo schüttelte den Kopf und setzte sich neben den Freund. »Im Augenblick kannst du nichts unternehmen. Premeno oder Palermo, das kannst du auch morgen entscheiden. Ich will dich nicht schockieren, aber du musst den Realitäten ins Auge sehen. Man wird Enricos Leichnam obduzieren. Bis er freigegeben wird, kann es Tage, vielleicht sogar Wochen dauern. Du solltest dich mit dem Gedanken anfreunden, dass Enrico in Sizilien beigesetzt wird. In Anbetracht der Situation ist das wahrscheinlich sogar das Vernünftigste.« Für einen Augenblick saßen die beiden schweigend nebeneinander, bis Carlo die Stille unterbrach. »Hast du schon daran gedacht, was die Überführung eines Leichnams kostet?«
»Nein!«, erwiderte Cardone, und man sah ihm an, dass er darüber auch nicht nachdenken wollte. »Das Geld dafür werde ich irgendwie auftreiben. Es ist das mindeste, was ich für Enrico tun kann, außer dafür zu sorgen, dass diese rufschädigende Darstellung in der Presse aufhört!«
»Daran wirst du dir die Zähne ausbeißen. Versteh mich nicht falsch«, sagte Carlo mit der Eindringlichkeit des guten Freundes, »ich will dir das nicht ausreden! Man putzt sich verdammt schnell den Hintern mit einer alten Zeitung ab. Und wenn ich dir finanziell helfen kann … Ich meine, was die Kosten für das Begräbnis angeht. Du weißt, ich habe nicht viel, aber was ich übrig habe, gebe ich dir gerne.«
Cardone lächelte gequält. »Ich danke dir. Vielleicht brauche ich es nicht. Enrico hat …« Er hielt inne und presste die Handballen gegen die Schläfen. »Er hat sicher etwas hinterlassen. Und da ist auch noch unser Elternhaus …«
Carlo legte den Arm um Cardones Schulter und murmelte: »Du schaffst das, da bin ich mir sicher.«
»Braucht man mich in Palermo, um meinen Bruder zu identifizieren? Das ist doch üblich, oder?«
Carlo zuckte mit den Achseln. »Bis jetzt hat dich noch niemand dazu aufgefordert. Ich könnte mir vorstellen, dass hier bald Carabinieri auftauchen werden.«
»Auf die kann ich gut verzichten. Ich habe mir nie vorgestellt, auf diese Weise von meinem Bruder Abschied nehmen zu müssen. Ich will ihn auf jeden Fall noch einmal sehen, egal unter welchen Umständen.« Cardone hielt für einen kurzen Augenblick inne. »Morgen buche ich einen Flug nach Palermo. Bringst du mich zum Flughafen?«
Carlos musterte seinen Freund mit zusammengepressten Lippen. Robertos Gesicht wirkte grau und kraftlos. »Ich bin der Meinung, du solltest vorläufig hierbleiben.«
Roberto schüttelte energisch den Kopf. »Ich
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