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Mala Vita

Mala Vita

Titel: Mala Vita Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudio M. Mancini
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entdeckte mehr als nur Bedauern in dessen Augen. In diesem Augenblick, einen Wimpernschlag lang, erkannte er eine stille Übereinkunft zwischen sich und Ponti, eine ganz unerwartete persönliche Vertrautheit.
    Mit schweren Schritten begab er sich wieder zum Sessel und ließ sich hineinfallen. »Was jetzt?«, fragte er Minetti, der straff aufgerichtet den Worten des Staatsanwalts gelauscht hatte und dümmlich grinste.
    »Sie können nach Hause gehen, d’Aventura. Ich denke, in den nächsten Tagen wird sich weisen, wie Ihr Dienst aussehen wird. Schließlich will ich auf einen brillanten Ermittler nicht verzichten.« Und an Ponti gewandt sagte er mit einem nur schwer erträglichen Unterton: »Nicht wahr …?«
    Der Staatsanwalt nickte abwesend. »Ich möchte Sie nicht aufhalten, Comandante«, sagte er. »Sie haben sicher, wie ich auch, einen vollen Schreibtisch. Allerdings …« Ponti hielt für einen Augenblick inne. »Auf der anderen Seite hätte ich volles Verständnis dafür, wenn Sie für ein paar Tage freinehmen. Etwas Ruhe und Entspannung tut Ihnen sicherlich gut.« Er hatte sich d’Aventura so zugewandt, dass er ihm, von Minetti unbemerkt, zuzwinkern konnte.
    »Sie haben recht, Signor Procuratore«, reagierte d’Aventura auf Pontis Zeichen. »Ich werde beim Questore den Antrag einreichen. Ich denke, eine Woche sollte ich mir gönnen.«
    »Das geht in Ordnung«, bestätigte Questore Minetti beflissen, während sich Ponti und d’Aventura erhoben und zur Tür gingen.
    Gemeinsam traten sie hinaus auf den Gang und schlenderten ohne Hast zum Treppenhaus. Am Treppenabsatz blieb Ponti stehen und hielt seinen Begleiter am Arm zurück. »Kommen Sie mit mir auf einen Espresso gleich um die Ecke in die Bar ›Bel Paese‹! Ich muss mit Ihnen etwas besprechen. Wir treffen uns dort in zehn Minuten. Ich möchte nicht, dass es jeder mitbekommt, wenn wir gemeinsam dorthingehen.« Er zeigte mit dem Kopf in Richtung Minettis Büro, was für d’Aventura so viel hieß, dass er mit »jeder« den Questore meinte. »Übrigens«, fügte Ponti leise, aber mit bedeutungsvollem Ton hinzu: »Danke für Ihren ausführlichen Bericht! Wir sprechen gleich darüber.«
    D’Aventura nickte und lächelte still in sich hinein.

    Knapp eine viertel Stunde später saßen die beiden Männer in der hintersten Ecke der Cafébar »Bel Paese«. Am Tresen drängten sich Menschentrauben: eilige Geschäftsleute, junge Frauen auf Shoppingtour, pausierende Handwerker und Pensionisten, die sich auf einen kurzen Plausch trafen. Ponti hatte einen Tisch ergattert, was um diese Uhrzeit nicht einfach war. Er leerte seine Tasse und stellte sie klirrend auf der Untertasse ab. »Ich bin froh, dass Sie mich im Büro sofort verstanden haben, d’Aventura.«
    Die aristokratischen Gesichtszüge des Staatsanwalts wurden von seinen graumelierten Haaren an den Schläfen unterstrichen. Seine feingliedrigen Hände und die sparsamen Gesten verrieten Distinguiertheit. Nichtsdestoweniger drückten sein energisches Kinn und seine dunklen, intelligenten Augen Durchsetzungskraft und Unbeugsamkeit aus. »Lassen Sie mich zuerst Folgendes sagen, verehrter Comandante: Politiker und Beamte sind wohl die einzigen lebendigen Zeugen der Reinkarnation. Denn um diese enorme Menge an Dummheit, Rivalität und Wichtigtuerei anzuhäufen, bedarf es mehr als ein Leben. Wohlgemerkt, mein Lieber, das sagt Ihnen ein Beamter, der aufgrund seiner Erfahrungen lieber Komponist, Literat oder Maler geworden wäre.« Ponti atmete tief durch, als wolle er für den nächsten Satz Kraft sammeln. »Ich habe Ihren Bericht aufmerksam gelesen, und nach allem, was Sie und Commissario Venaro mir vorgelegt und auch mit mir besprochen hatten, musste ich den Oberstaatsanwalt informieren. Ihre Ermittlungen im Fall Cardone und die daraus gezogenen Schlüsse, Verknüpfungen und Querverbindungen sind logisch und überzeugend. Leider, das wissen wir beide, nicht ausreichend beweisbar.«
    »Das ist mir bewusst«, sagte d’Aventura und schüttelte enttäuscht den Kopf. »Bei diesem Fall sind einige Dinge mehr als merkwürdig gelaufen.«
    »Ich würde es anders nennen.« Der Procuratore blickte d’Aventura vielsagend an. »Wenn man es genau nimmt, hat der Mord an Cardone zu einer seismischen Kettenreaktion im Verteidigungsministerium geführt. Ich bin davon überzeugt, dass Sie richtig liegen. Romano Grasso ist der Drahtzieher eines atemberaubenden Finanzskandals, der in dieser Dimension nur möglich geworden ist, weil

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