Mala Vita
er kann mir sagen, was Cardone vorhat. Es ist davon auszugehen, dass er sich seinem Freund anvertraut hat. Mein Assistent Venaro hat in Bologna alle Reisebüros abklappern lassen. Wir hatten Glück. Immerhin wissen wir, dass Cardone via Amsterdam nach Antigua geflogen ist. Außerdem haben wir ermitteln können, dass die Lorano einen Tag vor ihm in Schiphol gelandet ist und im ›Marriott-Hotel‹ übernachtet hat. Die beiden haben sich mit hoher Wahrscheinlichkeit in Amsterdam getroffen. Es ist naheliegend, dass sie gemeinsam nach Saint John’s weitergeflogen sind. Venaro versucht derzeit herauszufinden, ob wir mit unserer Annahme richtig liegen. Wenn es zutrifft, das die beiden in Antigua sind, schwebt Cardone in höchster Lebensgefahr. Unser ahnungsloser Poet wird diese Killerin, von wem immer sie auch beauftragt wurde, absichtlich oder unabsichtlich zum Geld führen.«
Ponti hatte ruhig zugehört und legte d’Aventura die Hand auf seinen Arm. »Wenn ich Sie unterbrechen darf …«
»Natürlich!«
»Wie wollen Sie Kontakt zu Alberti aufnehmen? Ich denke, in seiner Wohnung können Sie ihn nicht aufsuchen. Sie ist vollständig verwanzt. Ebenso wenig können Sie ihn anrufen oder irgendwo in Bologna treffen, er wird rund um die Uhr beschattet. Es gibt nur eine Möglichkeit, mit der keiner der Dienste rechnet. Verhaften Sie ihn unter einem Vorwand!«
»Ich werde Carlo Alberti in die Questura von Bologna vorladen und mit ihm alleine reden.«
»Das könnte funktionieren«, murmelte Ponti nach kurzem Überlegen. »Kommen wir zurück zu Cardone! Nehmen wir an, er hält sich tatsächlich in Saint John’s auf, dann haben wir von hier aus wenige Möglichkeiten, ihn zu unterstützen.«
»Ist Ihnen wirklich klar, in welcher Situation Cardone steckt?«, fragte d’Aventura den Staatsanwalt. Er blickte in fragende Augen. »Ich will es Ihnen sagen: Im Gegensatz zu unserer Behörde werden die Agenten der SISMI auch im Ausland eingesetzt. Sie werden Cardone jagen, bis sie bekommen haben, was sie bei ihm vermuten. Die Mafia wird Cardone ebenfalls jagen, weil er etwas besitzt, was in ihren Augen nicht nur ihnen gehört, sondern den Paten auch das Genick brechen kann. Sollte Cardone wider meiner Erwartung lebend aus Antigua zurückkehren, was meiner Meinung nach einem Wunder gleichkäme, dann würde sich die gesamte Presse Italiens auf ihn stürzen. Betrachten wir das Räuber-und-Gendarm-Spiel durch eine nüchterne Brille, dann werden wir zugeben müssen, dass Cardone das ärmste Schwein ist, das wir kennen.« D’Aventura seufzte tief und kniff die Augen zusammen. »Wollen Sie meine ehrliche Meinung hören?«
Ponti nickte zögernd.
»Cardone wird schneller eine Leiche sein, als wir beide ›piep‹ sagen können.«
»Versuchen Sie es trotzdem! Ich will, dass Sie die Federführung bei der Verhaftung Grassos und seiner Kumpane übernehmen. Es ist auch der Wunsch unseres Innenministers. Wir bleiben in engem Kontakt, und ich werde alle involvierten Stellen informieren und entsprechende Anweisungen erteilen. Noch etwas … Fahren Sie nicht mit Ihrem Auto!«
D’Aventuras Augen blitzten vor Unternehmungsgeist. »Ich brauche Bargeld. Spesen … Und übrigens, ich mache meinen Job nicht erst seit ein paar Tagen. Verlassen Sie sich darauf, ich kriege diesen Grasso!« Der Comandante grinste und zeigte zwei schneeweiße Zahnreihen.
»Gehen Sie zur Verwaltung der Staatsanwaltschaft! Ich organisiere das umgehend.«
D’Aventura nickte, trank den Rest seines Kaffees, stand auf und verließ ohne ein weiteres Wort die Cafébar.
Kurz vor acht Uhr am nächsten Morgen erreichte d’Aventura mit dem Nachtzug aus Reggio di Calabria den Hauptbahnhof von Bologna. Staatsanwalt Ponti hatte ihn kurz vor seiner Ankunft telefonisch unterrichtet, dass die Carabinieri Carlo Alberti seit sieben Uhr in Gewahrsam hatten und man ihn in der Prefettura Via Quattro Novembre 24 erwartete.
Der Comandante versuchte erst gar nicht, darauf zu achten, ob ihm jemand auf den Fersen war. Er wusste, dass es keinen Sinn gehabt hätte, eventuelle Verfolger abzuschütteln. War er erst einmal in der Präfektur, konnte er mit Alberti ungestört seinen Plan besprechen, den er sich unterwegs zurechtgelegt hatte. Bedingung dafür war, dass er Albertis Vertrauen gewann. Doch das sollte nicht allzu schwierig werden.
Er genoss es, wie ein Tourist zu Fuß durch Bolognas belebte Via dell’Indipedenza zu flanieren, die an der Piazza Maggiore endete. Auch wenn er Palermo
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