Mala Vita
dass sie längst über alle Berge ist.« Cardone registrierte mit Genugtuung das ungläubige Entsetzen der beiden Sizilianer und fügte hinzu: »Ich jedenfalls habe mit dem Geld nichts mehr zu tun. Lasst mich in Ruhe, ihr sucht bei dem Falschen!«
»Blödsinn!«, schaltete sich der Pferdeschwanz ein. »
Porca miseria,
der Kerl blufft, Ruffo!« Sein verlebtes Gesicht wirkte auf Cardone abstoßend.
»Rosanna wird kommen«, knurrte Ruffo mit einer Bestimmtheit, die Cardone überraschte. »Wir sind hier, um sie und das Geld abzuholen. Don Grasso wartet sehnsüchtig auf sie.«
Er blickte Cardone mit anzüglicher Miene in die Augen und deutete mit dem Kinn zur Durchgangstür, die in das anschließende Zimmer führt. »Oder hattet ihr etwas miteinander? War die Tür nachts offen?«
Cardone schwieg und lächelte.
»Wenn Don Grasso erfährt, dass ihr beide …!
Madonna!
« Ruffo verdrehte die Augen zur Zimmerdecke. »Er schneidet dir die Eier ab!«
Cardone fühlte, wie eine ohnmächtige Wut in ihm hochkroch und ihm fast die Luft nahm. Instinktiv erkannte er, dass die einzige Chance, sich zu retten, darin bestand, Rosanna zu diskreditieren und die beiden Mafiosi annehmen zu lassen, dass sie Romano Grasso betrogen hat. »Natürlich war die Tür offen«, antwortete er in einem Anfall verzweifelten Mutes. Gerade wollte er zur Ausschmückung noch einen Satz hinzufügen, als sich hinter ihm die Zimmertür öffnete …
[home]
Vertrauliche Gespräche
D ’Aventura saß in Questore Minettis Büro in einem der Ledersessel der Besprechungsecke. Es war früher Morgen. Ihm gegenüber saßen Procuratore Ponti, leitender Staatsanwalt aus Palermo, und der gelackte Napoleon, wie d’Aventura den Questore zu nennen pflegte. Die Lippen des Comandante bebten vor Zorn.
»Anweisung von ganz oben«, sagte Minetti höhnisch und blickte dabei Ponti an. »Ich habe es prophezeit, d’Aventura. Aber Sie können sich einfach nicht an Vorschriften und die Disziplin halten. Der Fall Cardone wurde Ihnen entzogen.«
D’Aventura nagelte den Staatsanwalt mit seinen Blicken fest. Seine Körperhaltung und die geballten Fäuste drückten schiere Angriffslust aus. »Sagen Sie … Steckt Colonnello Fessoni hinter dieser Freundlichkeit?«
Ponti schien irritiert zu sein. Seine Miene verriet dem Comandante, dass er mit dem Namen nicht viel anfangen konnte. »Ich kenne keinen Fessoni«, erwiderte er nach kurzem Nachdenken. »Die Maßnahme wurde in Rom angeordnet. Ich weiß, dass Sie mit dem Questore nicht immer einer Meinung sind, aber die Sache hat intern keine Folgen.«
Wütend sprang d’Aventura auf und stapfte im Büro auf und ab, während ihm die Blicke der beiden Männer folgten. Plötzlich blieb er stehen und wandte sich wieder an Procuratore Ponti. »Was genau wirft man mir eigentlich vor?«, zischte er durch die Zähne. »Dass ich meine Arbeit getan habe? Habe ich jemandem auf die Füße getreten, ohne seine Wichtigkeit zu berücksichtigen? Na los, sagen Sie es mir!«
»Beruhigen Sie sich!«, erwiderte Ponti, dessen Miene im Gegensatz zu der Minettis weder Schadenfreude noch Überheblichkeit zeigte. »Ich muss den Worten des verehrten Questore insofern widersprechen, als dass Ihnen offiziell weder Disziplinlosigkeit oder Kompetenzüberschreitungen vorgeworfen werden. Der Fall Cardone hat außerordentliche Brisanz, eine kaum abschätzbare politische Dimension, was nicht heißt, dass man Ihnen die Lösung des Falles nicht zutrauen würde. Ihr Fingerspitzengefühl, oder sagen wir besser, ihr diplomatisches Geschick ist in den Augen der Signori in Rom ein wenig unterentwickelt.«
»Na und?«, entgegnete d’Aventura gereizt. »Die Antimafiabehörde ist deshalb gebildet worden, um Fälle wie diesen aufzuklären, mit oder ohne Fingerspitzengefühl. Jetzt frage ich Sie noch einmal: Was unterscheidet den Fall Cardone von anderen spektakulären Mafiafällen, und weswegen wurde ich wirklich abgezogen?«
»Machen Sie es mir nicht schwerer, als es ohnehin ist!«, erwiderte Ponti. »Sie wissen, ich schätze Sie und Ihre Arbeit sehr. Aber ich muss mich den Anordnungen der Generalstaatsanwaltschaft in Rom beugen. Im Übrigen wird die Causa Cardone an das Innenministerium verwiesen. Palermo ist nicht mehr zuständig. Mit anderen Worten, auch mir wurde die Zuständigkeit entzogen. Und jetzt setzen Sie sich wieder! Sie machen mich nervös, wenn Sie ständig auf und ab gehen.«
D’Aventura blieb verblüfft stehen. Sein Blick kreuzte sich mit dem Pontis, und er
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