Mala Vita
und rechts. Doch niemand lauerte ihm auf, niemand stand auffallend unauffällig herum. Er stieß entschlossen die Luft aus, straffte seine Schultern und ging los.
Nach knapp einer halben Stunde war alles erledigt. Er hatte zwei ausführliche Briefe geschrieben. Einen nach Rom, adressiert an den Generalstaatsanwalt, mit der Kladde seines Bruders, den anderen an seinen Freund Carlo. Beide gab er auf dem Postamt auf. Sein nächster Weg führte ihn knapp hundert Meter weiter in ein Internetcafé. Nach kurzer Zeit hatte er im Netz gefunden, was er suchte. Er ließ sich einige Dokumente ausdrucken, verstaute sie in seinem Aktenkoffer und ging zurück zur Bank.
Dort empfing ihn Sir Ghallager mit einem einladenden Lächeln. »Haben Sie einen Entschluss gefasst?«
»Ja«, sagte Cardone. »Nachdem ich nun mit Gewissheit weiß, dass mein Bruder sich dieses Vermögen unrechtmäßig angeeignet hat, will ich das Geld dorthin überweisen, wo es hingehört.«
»Ich will nicht indiskret sein«, bemerkte Sir Edwin, »aber ich vermute, diese Erkenntnis haben Sie aus Enricos Aufzeichnungen gewonnen.«
»Stimmt.«
Sir Ghallager nickte. »Wohin also soll das Geld gehen?«, fragte er.
Cardone holte die Ausdrucke aus dem Koffer und übergab sie ihm. »Auf das Konto der Kasse des Justizministeriums in Rom. Die Kontoangaben finden Sie ganz unten rechts. Ist das möglich?«
»Natürlich. Weshalb sollte das nicht gehen?«
»Dann bitte ich Sie, alles Notwendige in die Wege zu leiten!«
»Jetzt? Sofort …?«
»Ja.« Cardone atmete tief durch. »Wie lange dauert es, bis das Geld in Rom ist?«
»Fünf Minuten. Ich kann das sofort von meiner Sekretärin erledigen lassen.«
»Dann tun Sie das!«, antwortete Cardone mit einer Stimme, in der nicht die kleinste Unsicherheit mitschwang.
Sir Ghallager erhob sich. »Was haben Sie mit Enricos Privatkonto vor? Für diese fünf Millionen lege ich meine Hand ins Feuer, dass sie rechtmäßig Ihnen gehören. Wollen Sie die etwa auch …?«
Cardone blickte in Sir Edwins Augen. »Dieses Geld lassen Sie bitte auf mein Konto in Bologna überweisen.« Er zog seinen Geldbeutel aus der Hosentasche und gab Sir Edwin die Scheckkarte. »Jedenfalls habe ich bei dem Betrag nicht das Gefühl, dass das Geld unrechtmäßig erworben wurde. Darf ich noch eine Bitte äußern?«
»Natürlich, Roberto, nur zu!«
»Ich muss meinem Freund eine Mail schicken. Ist das von hier aus möglich?«
Sir Edwin deutete auf seinen Laptop. »Bedienen Sie sich. Kennen Sie sich aus?«
Cardone lachte. »Ja.«
»Dann schreiben Sie Ihre Mail. Ich werde in der Zwischenzeit sehen, was ich für Sie tun kann.« Mit einem warmen Glanz in den Augen blickte er Cardone an. »Sie haben eine gute Entscheidung getroffen. Ich benötige dann noch ein paar Unterschriften«, murmelte er kaum hörbar und verschwand aus seinem Büro.
Knapp zehn Minuten später kehrte er wieder zurück. Seine Miene zeigte Zufriedenheit. »Kamen Sie zurecht?«
Cardone nickte. »Alles erledigt, danke!«
Sir Ghallager sagte freudestrahlend: »Die Überweisung ist ausgeführt. Heute Nachmittag geht ein ausführliches Fax an die Justizkasse mit einer entsprechenden Erklärung unserer Bank, damit die dortige Buchhaltung weiß, um was es geht. Ich denke, lieber Roberto, Sie haben wirklich eine weise Entscheidung getroffen.«
Er legte Cardone die Kopie des Überweisungsauftrags und den Antrag zur Auflösung des Kontos vor. Sichtlich erleichtert prüfte dieser die Papiere. »Ich habe jetzt nichts mehr mit diesem Geld zu tun?«, fragte er sicherheitshalber nach.
»Wie ich sagte, der Betrag ist bereits in Rom.«
»Dann möchte ich mich von Ihnen verabschieden, Sir Edwin. Ich danke Ihnen für Ihre Hilfe.«
Ghallager nickte verständnisvoll. »Tragen Sie die Unterlagen nicht so sorglos durch die Gegend!«, meinte er mit einem Blick auf Cardones Aktenkoffer. Ach, eh ich es vergesse: Bleibt es bei unserem morgigen Besuch in Ihrem neuen Anwesen?«
»Ich melde mich bei Ihnen«, erwiderte Cardone. »Vielleicht morgen, ich weiß es nicht …«
Er hatte die Bank verlassen und stand unschlüssig vor dem Gebäude. Noch hatte er keine Idee, wie er sich verhalten sollte, wenn er Rosanna wieder traf. Während er nach einem Taxi Ausschau hielt, überlegte er fieberhaft, wie er sich aus seiner misslichen Lage befreien könnte. Als bald darauf ein Taxi kam, winkte er es herbei und ließ sich ins »Coco Bay Beach Ressort« fahren. Aber auch im Auto hatte er keinen rettenden Gedanken.
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