Malavita: Eine Mafia-Komödie (German Edition)
Todes, ohne die leiseste Ahnung, wer dazu auserkoren war, uns umzulegen. (Ich glaubte die Stimme von Jerry Wine erkannt zu haben, ich wagte allerdings nicht zu fragen.) Keine Zeit mehr für einen letzten Witz oder ein letztes Gebet. Keine Zeit mehr, um deinen Mörder zu beschimpfen oder an deine Liebste zu denken. Keine Zeit für nichts mehr. Tom und ich warfen unsere Waffen weg und erwarteten unser baldiges Ende.
Und dann? Eine weitere Gewehrsalve, die aber nicht uns galt. Wir waren noch am Leben, was uns sehr überraschte. Dann Gebrüll, wir drehten uns um und sahen Jerry Wine und Guy Barber unter Schmerzen mit durchschossenen Beinen zu Boden sinken. Geschossen hatte ein kleiner Kerl, ungefähr vierzehn Jahre alt. Ich erkannte ihn nicht sofort.
Wie alle Kinder war er groß geworden, ohne dass sein Vater es bemerkt hatte. Als er noch ein Winzling war und kaum sprechen konnte, hatte er seinen Nichtsnutz von Vater immer mit großer Bewunderung angestarrt. Eine Bewunderung, wie ich sie zuvor nicht gekannt hatte. Killer hatten mich bewundert, auch Arschkriecher oder Leute, die ich noch nie gesehen hatte. Doch immer verbargen sich dahinter Angst oder Neid oder irgendwelche Begehrlichkeiten. Es gab eine Menge guter Gründe, mich zu bewundern oder vor mir Angst zu haben. Aber dieser kleine Kerl da, der sich an meinem Bein festklammerte und an ihm zog, als wäre ich ein Riese, der bewunderte mich aus reiner Liebe, das spürte ich. Was ihm alles einfiel, nur um mir eine Freude zu bereiten! Beim Monopoly-Spiel steckte er mir unter dem Tisch Geldscheine zu, wenn ich verschuldet war. Seine Schwester verstand nicht, warum er das tat. » Es ist doch nur ein Spiel « , sagte sie, aber der Kleine machte unbeirrt weiter. Er wollte, dass sein Vater gewann. Schluss. Aus. Fertig. Ich hatte meine Fehler und Laster. Seine Mutter schimpfte mich deswegen. Warren liebte mich dafür. Für ihn war ich der perfekte Vater, und alles um mich herum war einzigartig. Und dann eines Tages, ich weiß nicht, warum, war dieses Zutrauen aus seinem Blick verschwunden.
Ich fragte ihn, wo er die Maschinenpistole herhatte. » Sie lag neben Julio Guzmans Leiche beim Brunnen « , antwortete er. Als ich sah, dass Quint Jerry Wine und Guy Barber den Todesschuss versetzen wollte, fasste ich meinen Jungen an der Schulter. Er sollte nicht Zeuge einer kalten Exekution werden. Kaum waren wir um die Straßenecke gebogen, fielen wir uns in die Arme.
Es tat gut, wieder miteinander zu sprechen, unseren Gefühlen freien Lauf zu lassen.
Ich sagte mir: Warum sollte ich seiner Berufung im Weg stehen? Warum soll te er nicht in die USA zurückkehren, unsere Macht zurückerobern und die Fahne unseres Clans wieder hissen? Niemand durfte ihn daran hindern.
Dort, wo ich gescheitert war, würde er vielleicht Erfolg haben. Er sollte von meiner Erfahrung profitieren, Hindernisse wollte ich ihm aus dem Weg räumen. Das war meine Aufgabe als Vater.
Aber ich kam zu spät. Nein, Warren wollte mein Erbe nicht mehr antreten. Er wollte mit dieser Barbarei nichts mehr zu tun haben. (Das Wort » Barbarei « benutzte er mehrmals.) Das war ihm vor einer Stunde auf dem Bahnhof von So Long klar geworden. Ob ihn das traurig machte oder ob er sich befreit fühlte, das bekam ich nicht heraus. Zumindest lag kein Zorn in seiner Stimme.
Vor gut einer Stunde war er mit einem Schlag zehn Jahre älter geworden. Ob man immer innerhalb von ein paar Sekunden erwachsen wird? Ich weiß es nicht. Jedenfalls stellte er mir die schlimmste aller Fragen. Er fragte, ob es die Menschen einmal schaffen wü rden, Typen wie mich auszumerzen. Nur dann hätte die Welt, in der er als Erwachsener, vielleicht auch als Vater leben würde, eine Chance.
Jeder, der Vater ist, kennt solche Situationen. Dein Kind stellt plötzlich dich und dein ganzes Tun infrage. Eigentlich nichts Besonderes in der Pubertät. Das geht vorüber. Ich aber wusste, dass Warren seine Meinung nicht mehr ändern würde.
Er hatte mir eine Frage gestellt, und er verdiente eine Antwort. Es wäre vielleicht das letzte Mal, dass er mir zuhörte. Ich war versucht, zu lügen, ihm wie ein Vater Mut zu machen. Aber aus Respekt vor dem Mann, der er einmal werden würde, ließ ich mein Herz sprechen: » Nein, mein Sohn, der Menschheit wird es nicht gelingen, Typen wie mich auszumerzen. Wenn ein neues Gesetz in Kraft tritt, wartet irgendein Ganove schon darauf, es zu übertreten. Solange es Regeln gibt, wird es Typen geben, die sie verletzen wollen.
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