Malchatun
ehrerbietig, ». . . Sultan Alaeddin und Eure Exzellenz gewesen wären.«
»Sie meinen vielleicht auch Osman?« fügte Schermugan spöttisch hinzu.
»Ich meine vielleicht auch mich«, bestätigte Osman unerschüttert. »Jedenfalls sprachen alle Umstände für den Erfolg Konstantinopels, und doch scheiterten die Byzantiner an einem Fürsten, der Kopf genug hat, daß andere Köpfe sich ihm gesellen. Ich meine Sultan Alaeddin.«
»Und doch wollen Sie Seine Hoheit an Täbris verraten?«
»Verriet nicht die Hoheit mich ebenfalls schon?«
»Noch nicht!« entfuhr es Schermugan.
»Noch nicht?« dehnte Osman die beiden Silben. »Das ist gut, mein Vater, so können wir fortfahren. - Das meinte ich nämlich mit dem Fehler in Eurer Exzellenz erhabenen Erwägungen: Auch in Täbris gelangte ein Fürst zur Macht, der Berechnungen, die unumstößlich schienen, umwirft. Ilkhan Argun und Sultan Alaeddin - daß sie zu gleicher Zeit erschienen, ist ein Verhängnis für beide. Jeder allein würde entweder das Reich Seldschuks wieder errichten oder das der Ilkhane befestigen. Beide zu gleicher Zeit . . .« Osman machte eine Geste des Nichtwissens und Zweifelns. »Jedenfalls lag die Niederlage des Basileus ebenso im Interesse Arguns wie in dem der ikonischen Pforte. Von einem Erstarken der seldschukischen Macht wäre das gleiche nicht zu behaupten.«
»Sie glauben an direkte Einwirkungen von Täbris?« begriff Schermugan sofort.
»Allerdings. Die Selbständigkeitsgelüste der großen Bege sind immer vorhanden; aber der Abzug ihrer Hilfstruppen fast am gleichen Tage und ungeachtet ihrer gegenseitigen Eifersüchteleien läßt auf einen höheren Plan schließen. Dazu kämen dann noch die Schwierigkeiten, die den entschiedenen Parteigängern Sultan Alaeddins bereitet wurden und werden.«
»Dachten Sie an sich?« »Ich dachte an mich.«
»Und ich glaube Täbris besser zu kennen, mein Osman. Von Ihrer Existenz hat man dort nie gehört.«
»Exzellenz kennen Täbris, aber nicht Argun«, war die Antwort, »und wenn Sir nach Biledschik kommen, achten Sie bitte auf die Spuren des Kapidschi Belgutai falls er nicht noch da sein sollte.«
»Des Kapidschi . . .?« entsetzte sich Schermugan.
»Bei Dündar war er bereits«, lächelte Osman.
Es sah aus, als wolle Schermugan mit seinen Blicken Osman durchbohren. Keiner konnte wissen, was im Wesir dabei vorging. Aber dieses war es: das Gottesurteil, sein Gottesurteil! dachte er. Stehe es vor ihm?
»Ich gehe nicht nach Biledschik«, entrang es sich ihm schließlich.
Osman konnte nicht ermessen, was den andern diese Antwort gekostet hatte.
»Dennoch kann ich Euer Exzellenz nicht zu bleiben bitten«, sagte er leichthin. »Ich könnte nicht für Dero Sicherheit einstehen.«
Alle drei standen.
»Osman Ertoghruloghlu«, sprach der Wesir und neigte sein Gesicht dicht zu dem des andern hinüber, »Sie haben eine kluge Frau.«
Osman errötete. Doch dann meinte er voll Freimut:
»Auf welche Art Allah seine Gnade schickt, bleibt sich gleich. Doch der Bote sei geehrt.«
»Die Botin«, bestand Schermugan auf seinem Wort.
26
Es war Nacht geworden. Zuerst hatte Abdorrahmanghasi den Boten Ertoghruls Siegel gezeigt, und die jungen Männer hatten sich tief mit verschränkten Armen verneigt: Sehen ist Gehor-dien. Dann hatten siesich darangemacht, den Rat der Alten zusammenzurufen. Aber nicht jeder war gleich zur Hand gewesen, wenn auch jeder gekommen war. Sobald der Bote sagte: »Ich habe das Siegel gesehen!«, war Kommen Pflicht. Selbst Dündar hatte sich fügen müssen. Kaum einer konnte lesen oder gar schreiben, und diese Unwissenheit erhöhte den Zauber der Schrift und des Siegels.
Über Rufen und Kommen war es dann dunkel geworden, und jetzt war es Nacht. Aber gleichviel, der Diwan zu Pferde, der Kriegsdiwan, sollte stattfinden. So war es nach Ertoghruls Geheiß bestimmt.
Sei es wirklich Ertoghruls Geheiß? Der Scheich sei krank, sehr krank. Was berge das Haus, einen Sterbenden oder einen Toten? Vielleicht einen Toten, und nun seien dessen Alpe Akdscha Chodscha und Abdorrahmanghasi darauf aus, den Stamm zu etwas zu führen, was gar nicht mehr Ertoghruls Wille sei? Die beiden seien schon immer für den Windhund Osman gewesen, fauchte Dündar, denen sei alles zuzutrauen.
Eine einzige Binsenfackel schwelte und verbreitete mit ihrer Rauchfahne auf der Ratswiese mehr Düsternis als Licht. Das Beste zur Erhellung tat der Mond; aber in dessen blassem Schein wogten Menschen und Pferde wie
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