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Malchatun

Titel: Malchatun Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Tralow
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eines leichtfertigen Unternehmens verbluten?«
    »Nicht leichtfertig ist das Unternehmen, mein Dündar«, erklärte Ertoghrul. »Osman setzt nur fort, was Sultan Alaeddin begann, und Osman ist mein Kiaja an der Grenze.«
    »Warum ist er dein Kiaja an der Grenze? Gerade er?« brach es voll Haß aus Dündar. »Immer geht es um Osman und nie um den Stamm.«
    »Es geht um Karadschahissar«, sagte Ertoghrul, und Dündar spürte die Wirkung dieses Namens.
    »Karadschahissar?« gab er zurück. »Ich sprach über Karadschahissar mit Alaeddin vor der Schlacht, und er sagte es mir zu. Ihr braucht nur zu wollen, und der Stamm hat, was er wünscht. Ihr braucht nur mich zu wollen, und ihr habt Karadschahissar.«
    »Gab der Sultan dir eine Schrift?« fragte Ertoghrul, und der spärliche Beifall für Dündar verstummte.
    »Er versprach es mir, mir, mir!« schrie Dündar.
    »Hier ist eine Schrift von Alaeddin«, erwiderte Ertoghrul; »aber sie nennt nicht deinen, sie nennt Osmans Namen. Sein und des Stammes soll Karadschahissar sein, wenn er die Stadt erstürmt. Hier, Osmans Frau brachte den Berat.«
    Jetzt erst ward Dündar Malchatuns gewahr.
    »Was haben Frauen im Ring zu suchen?« eiferte er. »Seit wann sitzen Frauen im Rate der Männer?!«
    »Seit jeher«, erwiderte Ertoghrul. »Die Frauen der freien Stämme sind frei. Wir sind keine Städter. Wahrlich, es würde uns nicht anstehen, sie hinter Gitter zu stecken. Du könntest leicht ohne Kumys bleiben, mein Dündar.«
    Ein Gelächter begrub Dündars Protest.
    Um die Schlappe wettzumachen, ritt er zu Ertoghrul und in den Ring, was ein Verstoß war. Aber seine Stimme wurde fast sanft.
    »Bruder«, sagte er, »erinnere dich des Euphrats, in dem unser Vater ertrank. Damals wollten die Brüder von den andern Frauen des Vaters dich verjagen, weil du ihnen nicht nach dem Osten zu folgen gewillt warst. Bei dem Andenken an unsere Mutter beschwöre ich dich: Wer stand dir zur Seite, als wir uns nächtlich davonstahlen mit den Männern und Frauen aus vierhundert Zelten, die uns anhingen? Ich war es, dein Bruder, und ich murrte nicht, als der Stamm dich wählte. - Jetzt aber«, brach er los, weil Ertoghrul immer noch schwieg, »da dir die Herrschaft entgleitet, bin ich der nächste, nicht dein Sohn! Ich verlange die Wahl, jetzt gleich, sofort, die Wahl!«
    »Ich widerspreche der Wahl«, sagte Ertoghrul, und nun sahen die Brüder das Weiße im Auge des andern. - Schwankte Ertoghrul? überlief es Malchatun, dann sei alles vorbei. - Nein, jetzt sitze er wieder fest im Sattel. »Verblendeter«, fuhr Ertoghrul bereits fort, »nur Allah weiß, wer von uns beiden den andern überlebt. Nimm deinen Platz wieder ein, Dündar. Keine Wahl, solange ich lebe!«
    Und jetzt widerfuhr Malchatun etwas Unerwartetes: Der Selbstsicheren schauderte vor sich selbst. Wie hervorgestoßen fühlte sie sich. Sie sprach Worte, die nicht ihre Worte waren, aber nichts vermochte sie dagegen, sie mußte so reden, wie sie sprach, und so tun, wie sie tat. Ein Fremdes hatte sie überwältigt, und nur ganz ferne noch dämmerte ihr als ein tröstlicher Gedanke, daß es um Osman gehe.
    »Sollen eure Brüder verloren sein, die vor Karadschahissar ihre Treue erweisen?«, rief sie - selbst eine Gefangene der Menge - der Menge zu. »Sie weichen nicht. Aber wenn ihr noch lange zögert, werden sie sterben. Was werdet ihr dann sein? Wenn ihr erst ruhig zugesehen haben werdet, wie der Sohn eures Scheichs dort fiel, wohin die Pflicht ihn als Kiaja berief -dann seid ihr der Stamm der kaiserlichen Grenzreiter gewesen. Noch ist euer Ansehen das größte unter den Stämmen im Tumanidsch. Aber wer viel besitzt, kann um so mehr auch verlieren. Ein kleiner Stamm werdet ihr bleiben, der miß-
    achteste unter den kleinen. Wird man euch trauen, wenn ihr eure eigenen Brüder im Stich laßt? Sie stehen, wo der Stamm zu stehen hat. Ihn laßt ihr mit ihnen im Stich. Wo ist der Stamm? Hier in Sögüd? Oder auf den Almen bei den Herden? Ich sage euch, heute steht er vor Karadschahissar. Dort ist der Stamm. Aber es liege kein Beschluß vor, sagt Dündar. Gelogen! sage ich. Der Beschluß liegt vor, in euren Herzen liegt er vor, seit Ertoghrul zum erstenmal Stadt und Burg Karadschahissar nahm.«
    »Ertoghrul! Osman! Ertoghrul . . .«
    »Oft habt ihr davon gesprochen und immer daran gedacht!«
    »Ja!Ja!Ja!«
    »Jetzt aber ist nicht die Stunde, nur daran zu denken!«
    »Nein!«
    »Oder nur an den Lagerfeuern davon zu singen! Wenn es je geschehen soll, ist

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