Malchatun
daß sein Besucher sich darüber unterrichtet hatte, zeigte sich gleich. Noch bevor er den Hausherrn begrüßte, ging er vor den Ikonen in die Knie, wobei er es nicht unterließ, sein Antlitz vor so vielem heiligem Glanz mit dem Ärmel zu beschatten.
Der Herr sei doch von Chirmendschik? fragte der Kontophres.
Das sei er, der Schloßherr von Chirmenkia, verbesserte Michael; denn da seine paar Ruinen und der nicht mehr sehr dauerhafte Turm, in dem er hauste, auf byzantinischem Gebiet lagen, glaubte er den türkischen Namen für seinen Herrschersitz ablehnen zu sollen. Dafür nannte er Kir Aristides »Euer Höchstedlen« und machte ihn damit zu einem Nobilissimus, was zu sein der Kontophres niemals auch nur geträumt hatte! Und bei den Glückwünschen sprach er sogar von dessen »erlauchter« Tochter. Das alles machte den alten Herrn freilich nur noch behutsamer.
Allmählich ging Michael dann dazu über, Kir Aristides’ christlichen Sinn zu preisen und mit neuer Verneigung vor der reich bestückten und so festlich beleuchteten Ikonenecke auf die Verpflichtung hinzuweisen, die jedem wahren Christen ungeachtet aller politischen Zufälle aus seinem heiligen Glauben erwachse.
Die Wirkung blieb allerdings aus. Nur noch mehr kroch der Herr von Eskischehr in seine Decken und Kissen wie in eine Verschanzung. Immerhin gehöre dieses Land seit zweihundert Jahren zum Reich der mohammedanischen Seldschuken-Kaiser in Ikonium, was auch der rote Michael wissen könne, dachte er und überließ es dem andern, die lastende Pause zu zerreißen.
Ob er offen reden könne? fragte Kir Michael mit einem unmißverständlichen Blick auf Malchatun.
Er habe vor seiner »Tochter« keine Geheimnisse, meinte der Kontophres.
Überrascht blickte der andere auf. Apollonia hatte er bereits begrüßt, und von einer zweiten Tochter hatte man ihm nichts gesagt. Aber was für eine Tochter Malchatun auch sein mochte, für alle Fälle wandte er sich dem Fenster zu, an dem sie stand, und einen Augenblick lang sah sie während der feierlichen Verbeugung den Deckel von Kir Michaels zobelbesetzter Haube. Kir Aristides aber freute sich im voraus über den Schutz, den ihm Malchatun gegen die Geschäftigkeit dieses Mannes noch gewähren könne.
»Karadschahissar ist zum Glück in den Händen meiner christlichen Freunde«, entschloß sich Kir Michael zu reden. »Biledschik und Jarhissar besitzen die Asanes und Sie, Kir Aristides, Eskischehr oder sagen wir besser Doryläum -«
»Und Inöni, Oinasch, Agridsche, Bosojuk -?« wehrte der Eskischehrer ab.
»Euer Höchstedlen haben vollkommen recht«, schützte Kir Michael ein Mißverständnis vor, »diese und andere Plätze schmachten noch immer unter mohammedanischem Joch. Aber ihre Herren wären uns nicht gewachsen oder doch wenigstens gezwungen, sich uns anzuschließen, wenn diese fremden Türken an der Grenze nicht wären, immer bereit, ihre Glaubensgenossen zu unterstützen und uns zu unterdrücken.«
»Sie meinen die Ertoghruler?« verbarg der alte Herr kaum noch sein Unbehagen. »Mehr als einmal haben sie mir verlaufenes Vieh zurückgebracht. Sie achteten mein Brandzeichen, die Ertoghruler. Ich kann eigentlich nicht sagen, daß sie mich unterdrücken nein, Kir Michael, das kann ich wirklich nicht.«
Doch der Herr von Chirmankia blieb unbeugsam.
»Wenn sie es bisher nicht taten, so werden sie es tun«, sagte er. »Alle denken so, und alle hoffen, daß Euer Höchstedlen nicht abseits stehen werden.«
»Ist der Botoniates von Ainegöl auch dabei?«
»Selbstverständlich!« versicherte Kir Michael, ohne zu ahnen, daß er damit seinen Vorschlag dem Kontophres nur noch unerquicklicher machte. »Unser tapferer Freund Botoniates wird in der Verteidigung der Ehre und unseres heiligen Glaubens gegen niemand zurückstehen.«
»Gewiß, gewiß«, nickte Kir Aristides, der kaum etwas so sehr wie diesen einbeinigen Unruhestifter verabscheute, »der Matthäos Botoniates ist ein guter Christ von altem Schrot und Korn und hält sich höchst wacker in seinem Ainegöl.«
Beinahe hätte Malchatun gelächelt. Auf diese Weise entlockte der Kontophres alles, was er wissen wollte, seinem Gast. Und das war dieses:
Mehrere christliche Herren diesseits und jenseits der Grenze, vor allem die Mazaris, die einen früheren Handstreich Ertoghruls auf Karadschahissar noch immer nicht vergessen hatten, waren im Begriff, sich gegen den »Alten vom Berge« zu verbünden, wie man den Türkenhäuptling Ertoghrul zum Andenken an einen
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