Malchatun
glitt sie auf das Wolfsfell zu seinen Füßen; denn daß er sich bei ihr alter, angestauter Gedanken entledigen wolle, schien ihr gewiß.
So blieben sie lange.
»Die Leute«, begann Aristides Kontophres schließlich, »und du nicht minder, Marula - ihr haltet mich für einen geizigen
und kleinlichen alten Mann voll Argwohn und nachtragendem Haß. Und es ist wahr, daß ich mich keines Menschen zu erfreuen vermag. Aber es ist ebenso wahr, daß mein Mißtrauen mich immer gut geleitet hat. Ich bin der Narr nicht, meine Rüstung abzulegen, wenn ich von Schwertern umringt bin. Mögen sie über mich schimpfen! Sie tun es nur, weil ich nicht einfältig genug bin, mich von ihnen berauben und betrügen zu lassen.«
Heftig hatte er die letzten Worte hinausgestoßen.
»Das alles können Sie mir oder wem sonst auch ein anderes Mal erzählen«, meinte Malchatun, weil ihr der farbige Glanz seiner Augen und die roten Flecken auf seinen Backen zu denken gaben.
»Hören wollt ihr nicht, hören will keiner - du auch nicht!« erregte er sich jedoch nur noch mehr, so daß Malchatun sich wieder setzte. »Bilde dir doch nicht soviel auf dein Gesicht und deine glatte Haut ein. Wenn sie erst ihre Runzeln hat, wirst du weniger stolz und sehr viel klüger sein. Oder meinst du, ich sei niemals jung gewesen? Jung und dumm? Den Kopf voll hängender Locken und nichts darin? Damals bin ich auch in der Gegend herumgeritten, vor allem zu den Mazaris nach Karadschahissar. Der Seldschuk freilich war auch damals schon lange im Lande, und du hast gehört, wie er groß und mächtig war. Krieger aus allen Ländern nahmen Sold beim Kaiser, auch ein Ritter des Abendlandes darunter . . .«
Kir Aristides hielt inne und schloß die Augen.
». . . sein Name tut nichts zur Sache, Marula«, fuhr er dann fort. »Er war ein fränkischer Barbar und Herr einer Lanze, dem niemand folgte als seine drei Knappen. Es war klar, daß die Mazaris mich lieber sahen als ihn - die Mazaris wohl, nicht aber Eudoxia. Bei der wäre ich lieber jener fränkische Abenteurer gewesen als der Herr des hochberühmten Eskischehr. Oh, Marula«, seufzte er, »was sind wir für Narren, solange wir jung sind!«
»Wir Jungen mögen Narren sein«, sagte Malchatun unge-rührt, »aber alte Männer, die in ihrer Krankheit den Arzt nicht hören, sind es nicht minder. Das Sprechen tut Ihnen nicht gut, Kir Aristides.«
»Laß mich reden«, bettelte er. »Einmal muß ich es sagen, ein einziges Mal.«
»Dann fassen Sie sich kürzer, damit Sie sich nicht erschöpfen«, gab sie seufzend nach, so geringe Hoffnung sie auch hatte, daß er sich mäßigen würde.
»Vom ersten Einfall der Mongolen hast du gehört«, fuhr er fort. »Sechzigtausend Mann lagen wir alles in allem bei Cäsarea, als es hieß: >die Mongolen kommen!< Es waren nur vierzigtausend, und unsere Sache hätte nicht schlecht gestanden. Aber als wir vorrückten, war der Kaiser noch am hellen Vormittag weit hinter der Front! Und betrunken war er auch. -Du weißt, daß die Schlacht verlorenging und die Mongolen über Anatolien kamen wie vordem die Seldschuken. Armes Land! Immer kommt ein neuer Schwarm aus Asien, und hier bei uns verebbt die Woge. Aber wie du siehst, kam ich davon. Und ich machte mein Doryläum, mein Eskischehr, so fest ich nur konnte. Steinerne Mauern, hohe Mauern, sag’ ich dir, und dahinter Männer, die sie verteidigen. Ich verstehe deinen Vater nicht, daß er auf einem Dorf leben mag, jedem Überfall preisgegeben.«
»Der Ruf eines ehrwürdigen und gerechten Mannes schützt meinen Vater und uns alle - auch Sie, Kir Aristides, wenn Ihre Mauern es nicht mehr vermögen. Und hinter die flüchteten Sie sich doch nach der Schlacht bei Kusadac?«
»Hätte ich standhalten sollen, da alles floh? Was hatte jener fränkische Narr davon, daß er es tat? Ein stinkendes Aas war alles, was von ihm blieb. Ich aber lebte und lebe noch, und nicht er heiratete Eudoxia Mazaris.« - Eine Pause entstand.
»Und machte Sie das glücklich, Kir Aristides?« brach Malchatun die Pause.
Der Kontophres beugte sich vor.
»Ich will dir etwas sagen«, flüsterte er ihr ins Ohr, »dieser
Franke fiel mit einem Mongolenpfeil in der Kehle ich sah es, und ich sah seinen Kopf, den sie ihm abhieben und den einer der Kerle auf seine Lanze spießte -, aber tot, nein, Marula, tot war er nicht. Denn ich sage dir, er war mehr mit der Eudoxia verheiratet als ich.«
»Kir Aristides . . .«, Malchatun wollte sich diesen Vertraulichkeiten entziehen . .
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