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Malchatun

Titel: Malchatun Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Tralow
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größeren Räuberhauptmann gern nannte.
    Selbst einige mohammedanische Herren, die sich zu sehr als Eingesessene fühlten, um den emporgekommenen Neutürken nicht mit verhaltener Feindseligkeit gegenüberzustehen, hoffte man zu gewinnen. Malchatun erschrak.
    Sic dachte daran, daß Osman oder dessen Brüder nichtsahnend unter den Glückwünschenden erscheinen könnten. Hatte sie dem Sohne Ertoghruls auch ihr Jawort verweigert, so gehörten die Ertoghruler doch zu den Freunden ihres Vaters. Sehr unzufrieden war sie daher mit ihrem Pflegevater, weil er keinerlei abfällige Bemerkung laut werden ließ.
    »Den Isa Tschendereli von Inöni werdet ihr nicht auf eure Seite ziehen«, sagte der Kontophres nur. »Inöni ist meine nächste Nachbarschaft, und ich kenne ihn gut.«
    »Aber Euer Höchstedlen selbst?« trieb Michael ihn in die Enge. »Was brauchen wir Inöni, wenn Eskischehr sich uns anschließt!«
    Der gute Michael sei entweder sehr unwissend oder ein Trottel, wahrscheinlich beides, dachte Malchatun, wenn er denke, Kir Aristides werde sich zu irgend etwas bekennen, dessen Erfolg noch nicht völlig gesichert sei.
    Und tatsächlich zog ihr Pflegevater sich hinter sein festestes Bollwerk, nämlich seine Krankheit, zurück. »So anregend ich alles finde, was Sie mir altem Mann zu eröffnen die Gewogenheit hatten«, ächzte er, »zweifellos sehr bemerkenswert, Kir Michael -aber ich fühle mich recht leidend, müssen Sie wissen!«
    Doch Kir Michael war anderer Meinung. Der Anschluß des Herrn von Eskischehr müsse gleich, müsse heute noch erfolgen, die Beratung stehe vor der Tür, und das Beispiel eines Archonten wie Aristides Kontophres würde alles entscheiden.
    Auf dieses Drängen hin schwand dem Kontophres vollends die Stimme. Nur noch mit dem Zeigefinger konnte er eine zittrige, verneinende Bewegung machen.
    »Nein -?« fragte der Michael fassungslos.
    Nicht einmal mehr einen Blick hatte Kir Aristides zu versenden. Wie seiner unmächtig lag er da. So wenigstens schien es. Denn sei er wohl krank ein guter Schauspieler sei er auch, fand Malchatun wie schon oft, und fast leid tat ihr Kir Michael wegen des beschämenden Rückzuges, den er nun anzutreten habe.
    Ganz zusammengedrückt saß der Spitzbart auch auf dem Polster. Was er jedoch denken mochte - an eins dachte er jedenfalls nicht: ans Gehen.
    »Sie erinnern sich doch, Kir Aristides, daß Sie einen Sohn haben?« fragte er vielmehr im Ton einer Bemerkung über das Wetter und ohne das Gesicht zu heben.
    Die Augen aufzuschlagen war vielmehr ganz allein Sache des Kontophres.
    »Ich habe keinen Sohn«, sagte er. »Was wissen Sie von meinem Sohn?!« Mit überraschendem Kraftaufwand fuhr er in die Höhe. Auch Malchatun starrte den Fremden an. Sie hatte sich gründlich in Kir Michael getäuscht und machte sich nun Vorwürfe, die Unterredung überhaupt zugelassen zu haben.
    »Ich fragte nur«, sagte der Spitzbart.
    »Mein Sohn ist verschollen«, flüsterte Kir Aristides, als spreche er mit sich selbst. »Seit mehr als zwanzig Jahren!« schrie er dann plötzlich auf.
    »Verschollen ist nicht tot«, stellte Kir Michael sachlich fest und versenkte seinen Blick in Kir Aristides’ Augen.
    Niemand stand dem alten Kontophres nahe, selbst Malchatun nicht, der er noch am meisten vertraute. Doch der Anblick, wie er, ein Bild des Entsetzens, sein Gegenüber ansah, wischte alles Trennende fort, und in diesem Augenblick war nichts in Malchatun als ein tiefes Mitleid mit der leidenden Kreatur.
    »Sagen Sie, was Sie wissen«, kam es aus Kir Aristides, und dann sank er wieder zurück.
    Viel sei ihm ja auch nicht vom jungen Kontophres bekannt, meinte Michael, er wisse nur, daß Kir Manuel in tatarische Gefangenschaft geraten sei und viele Jahre bei der Goldenen Horde in Sarai an der Wolga zugebracht habe. Ob er ehrlich zum Islam übergetreten sei oder nur, um seine Freiheit wiederzuerlangen, möge dahingestellt bleiben. Aber übergetreten sei er, und darüber werde die Pforte in Ikonium nicht einfach hinweggehen wollen . . .
    »Er lebt also?! Lebt er -?«
    »Ich sprach ihn in Brussa«, schlug Kir Michael zu.
    Denn es war ein Schlag. So traf der einfache Satz den Alten, und sein Stöhnen war wie der Nachklang des Schlages.
    Seine Höchstedlen möge bedenken, fuhr Kir Michael fort, daß der Moslim Manuel sich, um seine Rechte wahrzunehmen, in erster Linie der Ertoghruler bedienen könnte. Diesen fluchwürdigen Stamm endlich zu vernichten liege also - falls Seine Höchstedlen den Sohn nicht

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