Malchatun
nun unrecht habe oder nicht - zu reden. Der sei ein Mann wie er selbst, wenn auch in einer höheren Lage der Macht und ein Bey. Aber Malchatun . . .
Schweißperlen glänzten auf seiner Stirn, als er sich setzte.
»Verzeihen Sie mir, Archont«, begann sie, »daß ich Sie so kurzerhand zu mir bitten ließ. Aber ich dachte, ein wenig gehören Sie noch mir. Wir befinden uns gerade in einer Stadt, vor der Sie mein Gefangener wurden. In Seraidschik schenkte ich Ihnen die Freiheit, wofür Sie mir die Freundschaft versprachen. Unter Freunden aber - nicht wahr, Kir Michael? -ist manches erlaubt.«
»Zweifelt meine Nobilissima an der Ergebenheit ihres untertänigsten Dieners?«
»Bis jetzt tat ich es nicht.«
»Die durchlauchtigste Begum tut gut daran.«
»Vielleicht.«
»Ich war auf dem Wege nach Karadschahissar.«
»Und befänden sich doch, als der junge Chalil Ihnen meine Einladung überbrachte, auf der Straße nach Eskischehr?« »Ich hatte mich, fürchte ich, verirrt.«
»Das fürchte ich auch«, sagte Malchatun in einem Ton, der Kir Michael nichts von der Zweideutigkeit ihrer Bemerkung verbarg. »Übrigens Eskischehr«, fuhr sie fort, »erinnern Sie sich noch? Dort begegneten wir uns zum erstenmal. Wenn ich nicht irre, hielten Sie mich damals für so etwas wie eine Magd?«
»Kir Aristides Kontophres nannte Sie seine Tochter«, wich er aus.
»Was Sie dann später veranlaßte, mich im Bunde mit Kir Manuel als eine entlaufene Leibeigene zu verfolgen.«
»Nobilissima . . .!« flehte Kir Michael.
»Unbesorgt!« beschwichtigte sie ihn. »Übrigens hatte Manuels Vater so unrecht nicht, wenn er mich seine Pflegetochter nannte. Ich wollte mit meiner Bemerkung nur andeuten, daß selbst ein Mann wie Sie sich einmal irren könne.«
»Wir alle sind Menschen«, seufzte Kir Michael fromm, »und ermangeln des Ruhmes, den wir vor Gott haben sollten.«
»Freilich des Ruhmes. Und so sehr rühmlich ist auch das nicht für Sie, was in Ainegöl geschah, Michael Tagaris.«
Das war ein Schlag ins Gesicht. Selbst den Vielgewandten riß es hoch.
»Was wissen Sie, Begum?!«
»Nicht genug«, sagte sie kalt. »Immerhin weiß ich, daß Sie ehrlich versuchten, ihre Glaubensgenossen mit Osman zu versöhnen. Es soll nicht vergessen werden.«
»Keiner folgte mir - glauben Sie mir, Nobilissima, ich habe getan, was ich konnte«, murmelte er.
Ein wenig bebte Malchatun nun doch, als sie damit die klare und endgültige Bestätigung eines heraufziehenden Unheils erhielt.
»Ich sagte bereits, daß ich es weiß«, erklärte sie dennoch mit einer allerdings nur vorgetäuschten Gelassenheit. »Doch dann bestürmte man Sie, und dann wurden Sie schwach.«
Der Archont senkte den Blick und schwieg.
Aber Malchatun wußte jetzt, was ihren Mann, ihre Söhne und sie selbst bedrohte. Das erste Erschrecken war vorüber, und gezwungen zu handeln, fühlte sie sich stärker als zuvor. Sie erinnerte sich der Stunden, die sie am Wundlager desselben Mannes verbracht hatte, der jetzt armselig auf der Stuhlkante hockte. Damals hatte er im Fieber immer wieder die Namen seiner Töchter und Söhne gerufen, aus Angst vor der Vergeltung, die auch seine Kinder treffen könne. Gar so schlecht scheine er nicht zu sein, hatte sie damals gedacht und ihm als einem Menschen verziehen, der um andere zu leiden vermöge. Wenn er aber ein Mensch sei und nicht ein Tier wie Kir Manuel oder ein Steinblock wie Salmenikos, so wolle sie an sein Menschlichstes sich wenden. Vielleicht, daß Allah ihr helfe.
»Damals, als Sie verwundet in Seraidschik lagen«, hob sie langsam an, »habe ich Sie hart angelassen. Doch dessen sollten Sie sich nicht mehr erinnern; denn Sie wissen sehr wohl, was mir zugedacht war, wenn Kir Manuel mit Ihnen und dem Mazaris Inöni erobert hätte. Ihnen aber, Kir Michael, wurde verziehen.«
»Sie haben recht, Patricia Nobilissima, meine hohe Herrin. Schändlich wäre es, wollte ich leugnen.«
»Immerhin war Kalanos Mazaris Ihr Waffengefährte. Er fiel bei Agridsche, und sehr glimpflich verfuhr Osman nicht mit ihm . . .«
»Osman dachte an Sie, die er liebt.«
»Joannes aber denkt an seinen Vater Kalanos und ist jetzt der Mann Ihrer Tochter, Kir Michael.«
»Warum mußte Osman das Todesurteil über Joannes verhängen lassen?« rief Michael, um in irgendeinem Groll seine Stärke wiederzufinden. »Konnte er am Tode des Kalanos sich nicht genügen lassen? Konnte er nicht an unsere Freundschaft denken und an meine Treue?«
»Er dachte daran, und Kir Joannes
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