Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Malchatun

Titel: Malchatun Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Tralow
Vom Netzwerk:
ist nicht gestorben.«
    »Weil Joannes floh.«
    »Joannes glaubte zu fliehen. Doch wie wäre das in Wirklichkeit möglich gewesen, wenn Osman selbst ihn nicht hätte entweichen lassen?«
    »Osman selbst . . .? Ich konnte es nicht glauben.«
    »Ich sage es. Kira Ana könnte es Ihnen bestätigen.«
    Ana hatte es ihm gesagt, aber er hatte ihrer nicht bedurft. Kir Michael kannte die Türme von Karadschahissar, und so verstärkten Malchatuns Worte seinen von Anfang an gehegten Zweifel.
    Doch nun holte Malchatun aus.
    »Osman war Ihnen so treu, wie Sie es — waren. Waren, Kir Michael!«
    Offenbar wisse die Frau zuviel, dachte der Mann, wieviel aber - das werde er eher erfahren, wenn er schweige. Malchatun jedoch hielt den Augenblick gekommen, sich mit Güte und Klugheit an ihren Gegner zu wenden.
    »Ich kann mir vorstellen«, sagte sie, »wie alles gewesen sein mag. Sorgen und Angst bedrängen Sie, nicht wahr? Angst um das Schicksal Ihrer Tochter. Ohne eigentliche Heimat ist Joannes Mazaris, Kira Ana eine Vertriebene mit ihm. Oh, diese erniedrigende Unsicherheit, diese Sorgen, die den Stolz beugen! Ist es nicht so? Und dann wurden Sie mit Versprechungen gemästet und schließlich mit Drohungen überschüttet. Doch glauben Sie mir, Michael Tagaris: Das einzig Wirkliche sind dabei nur die Drohungen. Muß ich, eine Frau, Ihnen das erst sagen, einem Manne von Ihrer Klugheit?«
    »Was hätte ich tun sollen?«
    »Sich an Osman wenden.«
    »An ihn, der seine Hand von mir zog?«
    »Osman mag gefehlt haben, aber er ist der Bey. An Ihnen war es, ihn Ihrer Treue zu versichern. In Wahrheit, Kir Michael, Osman ist immer noch Ihr einziger Schutz. Im Augenblick mögen Sie Ihren Glaubensgenossen wertvoll erscheinen, weil diese Leute meinen, daß Ihr Abfall den anderer Bundesgenossen Osmans nach sich ziehen könnte. Bedenken Sie jedoch, Mann von Chirmendschik, was sein würde, wenn die Christen siegen sollten. Der alte Hasser Botoniates konnte die Hochzeit Ihrer Tochter gern fürstlich ausrichten. Er tat das nicht Ihnen zulieb. Und auch dann wäre es nur ein Almosen im Vergleich zu dem gewesen, was er Ihnen nahm. Denken Sie an Koladscha, das er besitzt, obwohl es Ihnen gehört. Nach dem Kampf würde niemand mehr etwas davon wissen wollen, daß der Sieg vor allem Ihnen zu verdanken gewesen sei. Oh, Mann! Eine Politik, wie Sie sie treiben, darf sich nur ein Starker erlauben, Sie aber sind schwach. Und ein Vorwand, Sie zu berauben, brauchte nicht gesucht zu werden, er ist bereits da - man würde sich einfach Ihrer Bundesgenossenschaft mit Osman erinnern. Haben Sie denn völlig vergessen, Michael Tagaris, daß Ihr Chirmendschik sich vortrefflich zur Abrundung des Gebietes von Ainegöl eignen würde?«
    Michael lächelte ein wenig.
    »Euer fürstliche Gnaden sind sehr klug«, sagte er, »die Ausführungen haben nur einen kleinen Fehler. Nach einem christlichen Sieg würde nämlich nicht Botoniates, sondern Kir Salmenikos Herr in Bithynien sein, und Salmenikos ist nicht Botoniates.«
    Malchatun erhob sich. In letzter Zeit konnte sie den Namen des Salmenikos nicht hören, ohne in eine ihr unerklärliche Erregung zu geraten. Aber was Kir Michael gesagt habe, sei dennoch so uneben nicht. Ebenso wie für Osman nahe für Salmenikos der Tag der Entscheidung. Osman und Salmenikos könnten auch ferner Freunde sein. Dann blieben die Machtverhältnisse in der Schwebe. Sie könnten sich aber auch gegeneinander kehren. Dann würde einer von beiden fallen und dem andern das Land überlassen - o ja - das ganze Land! Einen Ausweg gäbe es dann nicht mehr. Und für sie, Malchatun selbst, sei die Stunde der Entscheidung bereits jetzt gekommen, in diesem Augenblick, wenn man noch Entscheidung nennen könne, was längst entschieden sei.
    Wie damals, als sie die Fackelreiter der Ertoghruler in die Nacht stürmen sah, empfand Malchatun.
    Wohl sei Kir Michael nur ein kleiner Mann, aber in diesen Tagen könne das kleinste Gewicht, in eine der Schalen des Schicksals geworfen, diese Schale zum Sinken bringen. Sie habe recht getan, Michael herbringen zu lassen, und eine alte, verstaubte Erinnerung an Salmenikos dürfe sie ebensowenig in ihrem Vorsatz beirren wie die Greuel, die auf Kir Michael warteten, falls er nicht freiwillig sprechen würde. Eins rechtfertigte alles: Es sei Osmans Schale, die Kir Michael zum Sinken bringen solle!
    »Archont«, sagte sie, »Sie nannten Salmenikos?«
    »Ich nannte ihn.«
    »Salmenikos bejahen heißt Osman verneinen.«
    »Ich wollte

Weitere Kostenlose Bücher