Malchatun
den Bey nicht verneinen, sondern nur andeuten, daß er nicht der einzige sei.«
»Vielleicht doch. Sie glaubten, Osman untreu erfunden zu haben, und ich bewies Ihnen, daß Sie sich irrten. Jetzt aber will ich Ihnen eine Geschichte erzählen. Niemand kennt sie so, wie sie sich begab, niemand kennt sie ganz, und niemand bekam sie von mir zu hören. - Alle Welt glaubt, daß meine Verbindung mit Osman gleichsam von Gott begründet sei und niemals in Frage gestanden habe. Wer trat auf der Dschirga für mich ein, als Kir Manuel von den Stämmen meine Auslieferung verlangte? Es war Osman, und er tat es auf die Gefahr eines Bruchs mit seinem eigenen Stamm. - Wir sprachen schon von der Jagd, die der Eskischehrer dann in Ihrer und Kir Kalanos’ Begleitung auf mich veranstaltete. - Sie hatten mit Osman zu kämpfen, Tagaris, und von ihm wurden Sie besiegt. Immer Osman. Ein anderer war nie zu erblicken. Und doch gab es einen andern. Es war - Salmenikos.«
Wie ein Überfall wirkte dieser Name. Ohne zu wissen, daß er es tat, machte Michael einen Schritt zu ihr hin.
»Sie wundern sich, Archont?«
»Bei der Panagia, meine Gebieterin! Wie hätte ich das ahnen können? Die Leute reden sonst so viel, aber davon vernahm ich niemals auch nur ein einziges Wort!«
»Dann achten Sie darauf, daß es so bleibe, Kir Michael, und vergessen Sie nicht, daß ich nur Ihnen das Geheimnis eröffnete. Wenn es je ein anderer erführe, hätten Sie gesprochen.«
Statt einer Antwort verneigte Kir Michael sich tief.
»Um Ihretwillen spreche ich. Da es sich so fügte: auch Ihretwegen«, sagte sie und erzählte ihm, daß es nur darum zu jener Hetzjagd auf sie gekommen sei, weil sie Salmenikos in Todesnot geglaubt habe, und daß ihr von Salmenikos dennoch Jundhissar verschlossen worden sei.
»Schon deswegen verdiente er . . .!« rief Kir Michael ungestüm.
»Was? Wer?« stieß sie zu.
»Nichts«, verschloß sich Michael sofort wieder, als habe er sich in einem Gefecht eine Blöße gegeben. »Wollen Euer fürstliche Gnaden mir lieber sagen, was zu wissen Sie mir zugedacht haben?«
»Sie mögen über des Salmenikos Geschicklichkeit erstaunt gewesen sein, der bei diesem . . .« - sie zauderte mit Rücksicht auf Michael - ». . . bei diesem Unternehmen«, fuhr sie fort, »bei dem alle andern verloren, sich nicht nur Osmans Freundschaft erhielt, sondern auch die große Stadt Eskischehr dazugewann. Aber daß er noch einen anderen Grund hatte, die Stellung am Berghang über diesem Haus hier einzunehmen, wissen Sie noch nicht. Auch wenn Sie mit Kir Kalanos und Manuel in diese Stadt eingedrungen wären - im Schloß hier wäre Salmenikos Ihnen zuvorgekommen, und so hätte er sich meiner als erster bemächtigt. Jedenfalls dachte er es sich so. Und vielleicht ist er auch wirklich nicht gern ohne mich in Eskischehr eingezogen. So sagte er wenigstens, als er mir die Heirat antrug. Doch als er es sagte, war es schon zu spät. -Die Frage, die sich für Sie ergibt, ist aber eine andere: Wollen Sie immer noch Ihr Schicksal an das des Herrn von Biledschik knüpfen, Michael Tagaris?«
Ganz ungewöhnlich war, was der formengewandte Herr von Chirmendschik jetzt tat. Fast schien es, als habe er Malchatun völlig vergessen. In sich gekehrt, als sei er allein, durchmaß er den Raum. Plötzlich blieb er stehen.
»Ich weiß, daß ich nicht mehr reiten kann, wohin ich will. Welche Art . . . Gastfreundschaft habe ich zu erwarten?«
»Stellen Sie sich vor, Sie seien noch frei. Wohin würden Sie sich wenden? Sie befanden sich auf dem Wege nach Eskischehr, nicht wahr?«
»Ich würde umkehren.«
»Ohne mit Salmenikos gesprochen zu haben? Zur Zeit befindet er sich dort. Ich weiß es.«
»Ohne mit ihm gesprochen zu haben.«
»Und das ist alles?«
»Die Begum sagt es.«
Mehr, weit mehr hatte Malchatun erwartet, und sie war nicht gesonnen, ihren Gefangenen - denn das war Kir Michael -um den billigen Preis eines solchen Versprechens zu entlassen.
»Ich fürchte. Sie sind verstockter, als ich es dachte«, sagte sie nach einer kleinen Pause mit sanftem Vorwurf und ohne jede Drohung mit Ochsenziemer und Folter. Aus Michaels Frage nach der Art der ihm gewährten Gastfreundschaft hatte sie auch ohnedem herausgehört, daß er seine Lage erkenne und um alle Möglichkeiten wisse, unter denen das Gespräch fortgesetzt werden würde. Aber wie auch immer - sie war fest entschlossen, ihm sein Geheimnis zu entreißen, und daß es ein Geheimnis gebe, davon war sie überzeugt. Als sie nun
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