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Malchatun

Titel: Malchatun Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Tralow
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wegzufangen.«
    »Unsere Mütter dachten, glaub’ ich, weniger an die Klugheit. Sie wollten dich wiederhaben. Das ist, scheint mir, alles.«
    Und so dumm sei der Junge gar nicht, überlegte Nilufer, wobei sie zu begreifen begann, warum Malchatun ihren Ältesten zu Aufträgen verwandte, die über dessen Jahre hinauszureichen schienen.
    »Dann sei wenigstens du gescheit«, meinte sie nun.
    »Es wäre zu spät«, widersprach Orkhan. »Man würde dir mißtrauen, wenn du jetzt noch den dreien folgtest. Die Christen würden erraten, daß es mit unserer Einwilligung geschehen sei. Was wir Grenzreiter haben, das halten wir. Man kennt uns.«
    Es war etwas Wichtigtuerei bei diesen Worten; aber deswegen waren sie doch wahr. Das erkannte auch Nilufer.
    »Immer die Alten!« murrte sie. »Niemals können sie einen Gedanken zu Ende denken. Das müssen wir schon tun, du, Orkhan, und ich. Denn daß es grundfalsch war, mich nicht bei der Ana und Kir Joannes zu lassen das siehst du doch ein?«
    Ob Orkhan es einsah oder nicht, konnte sich nicht völlig erweisen, weil Nilufer es vorzog, ihm mit einer neuen Schmeichelei zuvorzukommen. »Du bist nicht wie andere Jungen, Orkhan, du bist schon ein Mann!« Ein Blick traf sie, in dem Mißtrauen und Beglückung kämpften. Doch mit dem Mißtrauen werde sie schon fertig werden, war Nilufer überzeugt.
    »Also hör gut zu«, redete sie weiter auf ihn ein. »Unsere
    Mütter wollen mich nicht im feindlichen Lager wissen. Denn für deinen Vater ist das Ainegöl des alten Stelzfuß Botoniates ganz gewiß ein feindliches Lager. Was aber würde geschehen, wenn ich mit dir nach Karadschahissar zurückkehrte? - Kirina Nilufer, würde es heißen, habe ihre Freundin Ana und deren Bräutigam zur Flucht verholfen, und als sie beide in Sicherheit gewußt habe, sei sie als Freundin der Osmanoghli wieder nach Karadschahissar gegangen.«
    »Kir Joannes und Kirina Ana werden es anders erzählen.«
    »Man wird ihnen nicht glauben. Zu sehr sprechen die Tatsachen dagegen. Und wo sollte ich auch wohl lieber sein als in Karadschahissar? Dort ist Osman und — Tante Malchatun«, fügte sie schnell hinzu, »und — und du, Orkhan, bist da! Schließlich wäre es ja auch selbstverständlich, daß ich mich bei meiner Mutter befände.«
    »Genau das, was Kira Apollonia und die Begum sagen!«
    »Ich erklärte dir ja schon, daß sie nie etwas zu Ende denken. Mütter sind so. Wenn ich in Karadschahissar bin, wird man mich für ihre Freundin halten . . .«
    »Ja, bist du es denn nicht?«
    »Natürlich bin ich es, aber halten muß man mich für das Gegenteil, sonst bekomme ich nie zu wissen, wenn man in Ainegöl oder sonstwo etwas gegen Osman aushecken sollte. Ich muß also geflohen sein - etwa weil mir als Christin euer Wesen zuwider sei oder . . .«, sie suchte nach Worten, ». . . wegen mir widerfahrener Anfechtungen . . .«
    »Durch meinen Vater?« fragte Orkhan schnell, aber Nilufer war auf ihrer Hut.
    »Oder durch dich, Orkhan, zweifellos durch dich! Man könnte es sogar unter die Leute bringen.«
    Ein Glücksgefühl berauschte Orkhan. Nicht das geringste hatte er dagegen, daß er als Nilufers großer Bedränger in Frage kommen solle - nur eins wußte er nicht, wohin sonst er sie wohl bringen könne, wenn nicht nach Karadschahissar? Aber die junge Dame verriet es ihm auch nicht. Vielmehr ergriff sie seine Rechte, auf der eine dicke rote Strieme aufgelaufen war.
    »Mein armer Junge«, sagte sie und führte seinen Handrücken an ihre weiche Wange.
    »Ach, laß doch«, sagte er zugleich trotzig und verlegen, »das macht doch nichts!«
    Nilufers Zärtlichkeit wurde dadurch nur größer.
    »Verzeih mir, mein Lieber«, sagte sie, »ich habe mich scheußlich benommen. Aber wie wäre es, wenn du gelegentlich fallenließest, dies . . .« - Dabei strich sie ganz leicht mit den Lippen über die Röte - »dies wäre ein Andenken von mir, was ja leider auch wahr ist, und ich sei dir nach Jundhissar entkommen? Ja, nach Jundhissar«, wiederholte sie zur Bekräftigung, »dorthin führe mich! Jundhissar gehört mir. Du und deine Leute dürfen natürlich weder Stadt noch Burg betreten. Das ist nun mal bei den Asanes so. Und außerdem sollt ihr ja auch überhaupt nicht gesehen werden.«
    Eine Pause entstand. Nein, dumm sei Orkhan gewiß nicht, dachte Nilufer, nur einer, vor dem man sich in acht nehmen müsse.
    »Wenn wir uns eilen, können wir vor Sonnenaufgang dasein«, sagte Orkhan.

36
    In den Ländern Bithynien und Phrygien wurde genauso

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