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Malchatun

Titel: Malchatun Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Tralow
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von neuem begann, dachte sie an Osman und nur an ihn. »Soviel steht fest, daß Kir Salmenikos bis jetzt einem Zusammenschluß der christlichen Archonten noch nicht beigetreten ist, und wenn Sie auf dem Wege zu ihm waren, so gehe ich darin wohl nicht fehl, daß Sie ihn dazu bewegen sollten?«
    Michael war es, als verenge das Zimmer sich, als schließe es sich unentrinnbar um ihn zusammen. Fast körperlich fühlte er Malchatuns Entschlossenheit, und ihm bangte vor ihr.
    »Sie schweigen ?« fuhr sie fort. »Also ist es wahr.« - Das war abgetan. Wie ein Hammer auf den Nagel fiel ihr Satz. - »Haben
    Sie es sich aber niemals überlegt«, meinte sie dann, »wie es sein würde, wenn Sie Salmenikos gewonnen hätten? Zweifellos ist seine Macht sehr groß, auch dann wäre sie es, wenn Kir David ihm mit Rücksicht auf meine enge Verbindung mit Kira Apollonia die Gefolgschaft verweigern würde. Doch daran glaube ich nicht. Die Macht der Asanes im Bündnis mit der aller christlichen Herren, Sie eingeschlossen, wäre in jedem Fall eine gefährliche Drohung für Osman. Eine Drohung, Kir Michael - weiter noch nichts. Gerade Sie werden nicht übersehen haben, daß Ihre Glaubensgenossen untereinander so uneinig sind wie nur möglich, und diese Uneinigkeit wird stets deren Schwäche bleiben, selbst wenn sie sich einmal zu Osmans Vernichtung zusammenfänden. Osman dagegen hat die Stämme und die Männer des Islams fest in seiner Hand. Daß die Herren von Inöni, wo wir uns befinden, von Oinasch, von Bosojuk und Ilidsche Ihrem Beispiel folgen könnten, mögen Ihre Freunde glauben, aber nicht Sie. Seit heute nicht mehr. Ein Krieg könnte wohl entbrennen, doch einer, dessen Ausgang höchst ungewiß wäre - ein Kampf also, dem die Archonten bisher stets ausgewichen sind, weil sie die Gefahr zwar kennen, aber nicht lieben. - Was folgt daraus, Kir Michael Tagaris? - Ich will es Ihnen sagen: Nicht Kampf planen die Archonten, sondern Verrat! Und ich müßte mich sehr irren, wenn Sie diesen Verrat nicht in Ihrer Botentasche durch die Lande trügen.«
    »Selbst wenn ich frei wäre, würde ich den Ritt nach Eskischehr nicht fortsetzen«, wiederholte er, und daß er nichts hinzufügte, bedeutete eine Weigerung, ihr zu antworten.
    »Das hieße nur: ein anderer würde an Ihrer Stelle reiten«, tat sie denn auch seine Worte kurz ab. »Wenn Sie also - und so soll ich Sie doch verstehen - es bereuen, von Osman abgefallen zu sein, so können Sie das Bündnis nur dadurch neu knüpfen, daß Sie alles sagen, was Sie wissen.«
    »Ich habe geschworen, Begum, ich habe geschworen!« rief Michael, ohne mit seiner Verzweiflung Malchatun rühren zu können.
    »Sie haben auch mir geschworen«, herrschte sie ihn an, »und bei diesem Schwur, der älter ist, fordere ich von Ihnen die volle Wahrheit!«
    »Ich sagte sie Ihnen, Begum«, log er, »mehr weiß ich nicht.«
    Michael bereute es aufrichtig, die Farben gewechselt zu haben, aber, einmal die Treue verraten, wollte er es nicht ein zweites Mal tun. Er wollte sich heraushalten aus dem Kampf.
    Doch für Malchatun gab es nur noch eins: ein Geständnis, ein volles Geständnis!
    Bis auf einen kleinen Schlitz verengten sich ihre Augen. Jetzt waren es böse Augen. Sie wußte um Kohlenbecken im unteren Verlies und um Eisen, die darin glühten. Schon hob sie, den Gong zu schlagen, den Arm. Wenn die Scheibe ertönte, würden Männer kommen, Kir Michael hinauszuführen. Ihr graute vor dem Ablauf dessen, was dann unvermeidbar wäre, aber - es gehe um Osman.
    Dennoch ließ sie den Arm noch einmal sinken und wandte sich ihrem »Gast« wieder zu. Ihre Augen öffneten, ihre Hände entspannten sich.
    »Wie alt sind Sie, Kir Michael?«
    Er nannte die Zahl seiner Jahre. Sie übertrafen nur wenig ein halbes Jahrhundert.
    »Davon sind Sie gut dreißig Jahre geritten - hierhin, dorthin haben Ihr Gehirn zermartert, in dieser oder jener Sache zu irgendeinem Ziel zu gelangen. Mißgeschick ist Ihnen nicht ferngeblieben, auf den Tod wurden Sie verwundet immer waren Sie in Gefahr, immer in Angst, daß erworbene Ungunst sich als Rache nicht nur an Ihnen selbst, sondern auch an Ihren Kindern auswirken könnte. - Welchen Gewinn hatten Sie von alledem?«
    »Keinen«, sagte er und stierte vor sich hin, »gar nichts hatte ich von alledem.«
    »Sie sind so arm, wie Sie waren, als Sie das heruntergewirtschaftete Chirmendschik übernahmen?«
    »Ich bin heute ärmer. Schon damals hätte ich meine paar
    Knechte nehmen und zum Basileus oder einem Herrn

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