Malchatun
der Küste reiten sollen, dort Dienste zu nehmen gegen Sold. Entweder wäre ich jetzt tot, oder mir wäre wohler, sehr viel wohler.«
»Und jetzt?«
»Ich weiß, daß ich nie mehr reiten werde.«
»Wieso nicht reiten?« verlockte sie ihn. »Sind die Akindschi nicht beritten? Braucht ein General der Akindschi kein Pferd?«
Michael horchte auf. Sei das ein ihm zugeworfenes Tau, sich zu retten? Doch er glaubte nichts mehr. Wenn er sein Wissen preisgäbe, würde man ihn dennoch abtun, redete er sich ein, und so könne er auch sein Geheimnis mit sich ins Grab nehmen. Das war das einzige, was ihn aufrecht hielt: das Bewußtsein, sich versagen zu können und den andern Tod und Vernichtung zu hinterlassen.
»Wenn man von einem General der Grenzwächter und Renner sprechen kann, so ist das doch wohl der Bey selbst«, sagte er unwirsch.
Malchatun lächelte.
»Geben Sie sich selbst die Antwort«, forderte sie ihn auf. »Osman ist wohl mächtiger als Sie, sonst aber ebenfalls arm, und darum sind Sie von ihm abgefallen. Wenn er jedoch siegt
- und er wird siegen! -, dann wird er in Wahrheit Fürst in Bithynien und reich sein, dann wird er an seiner Stelle eines Generals, eines Kiaja-Baschi, an der Grenze bedürfen.«
»Mir gab noch niemand etwas«, murrte Michael voll Mißtrauen, »auf mich entfielen höchstens ein paar Knochen aus der allgemeinen Beute. Doch wie lange ist das schon her! Vor sieben Jahren ritt Osman das letztemal um Gewinn.«
»Weil diese Raubzüge einem Fürsten nicht ziemen!« entgegnete Malchatun. »Armer Mann! Immer gingen Sie leer aus. Niemand hielt sein Versprechen. Und wenn ich Ihnen für den Fall des Sieges große Lehen Zusagen würde, wären das Lügenlehen, niemals würden Sie sie bekommen. Alle anfallenden Lehen muß Osman selbst behalten. Höchstens auf Lebenszeit darf er sie vergeben. Sonst wird er nie ein wirklicher Fürst sein.
Doch das Kiajat kann er erblich machen und mit höchstem Rang und dem Einkommen eines Großlehens begaben. Nur -muß ich die Wahrheit wissen.«
»Immer werde ich betrogen . . .« Störrisch und müde war er. Alles sei ihm recht, wenn er nur fort könne von dieser entsetzlichen Frau. - Daß sie ihm im Grunde wert sei - danach fragte er jetzt nicht.
»Michael! Träumen Sie nicht!« schrie Malchatun, auch sie am Ende ihrer Kräfte. »Machen Sie die Augen auf, Mann! Unten ist eine Zelle, aus der kein Schrei nach außen dringt. Und doch werden Sie schreien, wenn man Sie brennt, wenn man Ihnen die Riemen aus der Haut schneidet. Ich muß die Wahrheit wissen, ich lasse es geschehen und werde selber dabeisein, wenn es geschieht. Ich werde die Wahrheit wissen, ich schwöre es Ihnen!« — Sie warf sich auf die Knie und hob die Hände zu ihm auf. »Haben Sie doch Erbarmen mit sich und mit mir! Zwingen Sie mich doch nicht, zu tun, wovor mir so graut! Es ist nicht mein Beruf, die Kreatur zu quälen . . . nicht meiner . . . ich kann es nicht tun und muß es doch tun . . . ich muß die Wahrheit wissen ... es geht um Osman, ich liebe ihn . . . seien Sie gnädig . . .«
Lange hörte man nur noch ihr Schluchzen.
Niemals hätte Kir Michael geglaubt, Malchatun je knien zu sehen. Vor ihm! Und nun lag sie mit dem Gesicht auf dem Boden und schluchzte in das Wolfsfell hinein. - Demnach sei sie also auch ein Mensch, dachte er, demnach leide auch sie, und so sei sie, genau betrachtet, gar nicht eine so entsetzliche Frau? - Dabei zweifelte er durchaus nicht, daß sie ihn foltern lassen würde. Sie müsse ja die Wahrheit wissen, gab er ihr innerlich recht, und er kenne die Wahrheit. Warum - eigentlich - sage er ihr sie nicht? Wegen der Archonten etwa? - Er lachte schallend.
Erschreckt blickte sie auf.
Schweißig und blaß war Kir Michael, das rote Haar hing ihm strähnig in die Stirn. Aber unter ihren irren Blicken fand
er zu sich zurück. Seine Haltung wurde wieder die eines Edelmannes, und über sein Gesicht legte sich der Ausdruck höfischer Ergebenheit.
»Euer Hochedlen scheinen gestrauchelt zu sein«, sagte er und reichte ihr seinen Arm, »geruhe die Patricia, sich zu erheben.«
Und dann teilte er ihr mit, was sie um Osmans willen zu wissen begehrte.
Die Archonten hatten vereinbart, Salmenikos möge unter Berufung auf die alte Freundschaft auch Osman zur Hochzeit mit Nilufer einladen. Während des Festes wolle man dann den Ahnungslosen überfallen und töten.
Als Michael geendet hatte, war Malchatun überzeugt, daß sie die Wahrheit gehört habe.
»Ist Salmenikos
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