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Malefizkrott

Malefizkrott

Titel: Malefizkrott Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Lehmann
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er wusste sogar, dass Frauen das hassten. Nur ich nicht.
    Ich langte ihm in den Schritt an den Knüppel. Richard zuckte zusammen und knurrte. Der Kaffee schwappte ihm über die Hand. Ich nahm ihm den Becher weg und stellte ihn auf den Kneipentisch ab, dem Flecken nichts mehr ausmachten.
    Richards Affe frohlockte.

 
     
6
     
    Am Freitag stand im Stuttgarter Anzeiger , den Richard sich mit Brötchen zum Frühstück geholt hatte, während ich noch schlief, ein Fünfzeiler über den Brand, den der Spätredakteur kurz vor Andruck noch in die Lokalausga be hineinbekommen hatte. Bilanz: ein Schwerverletzter, Sachschaden von über 200.000 Euro, der Laden völlig ausgebrannt, das Haus unbewohnbar. Die Brandsachverständigen ermittelten. Keine Erwähnung fand, dass es die Veranstaltung einer gewissen Lola Schrader gewesen war, die Feuer gefangen hatte.
    Bereits am Samstag quollen die Zeitungen, auch die überregionalen, die mein Tabakladen verkaufte, über von Nachrufen auf die Buchhandlung Ursprung. Eine Institution sei verschwunden, eine Instanz vernichtet. Wo der Geist der Dichter und Denker wehte, wo die Avantgarde, wo Max Bense, Reinhard Döhl und Helmut Heißenbüttel ihre Heimat gehabt hätten, klaffe jetzt ein rußiges Loch. Die taz titelte auf der ersten Seite »Gebrandschatzt« und bildete einen qualmenden Bücherberg aus Nazizeiten ab. Daneben ein Foto von Durs Ursprung mit dem unergründlichen Lächeln. Im Artikel kam ein Zeuge zu Wort, ein Verleger, der über Durs Ursprung sagte: »Einer, der nicht liest, was er einkauft, es anschließend hortet und ungern verkauft, ein solches Trüffelschwein ist und dabei seiner Buchhandlung die Aura verschafft hat, eine der besten der Republik zu sein. Denn das ist sie! Eine wunderbare Figur der Literaturvermittlung, ein aktiver Döblin’scher Schornsteinfeger, ein Katalysator sui generis.« {5}
    Soso, dachte ich, Durs Ursprung liest gar keine Bücher. Folglich hätte er niemals entdecken können, was in Schloss und Fabrik noch steckte.
    Mein Tabakhändler, bei dem ich die Zeitungen durchblätterte, schüttelte den Kopf. »Hätte man den kennen müssen? Na ja, Kultur!« Der Händler lachte hinter sei nem Bollwerk aus Bild, Spiegel, Focus, Neue Frau, Petra, Brigitte, Bild der Frau, Auto-, Eisen- und Heimwerkermagazinen und Lotto-Spielscheinen. Ich nahm nur den Stuttgarter Anzeiger mit.
    »Wir werden neu anfangen«, behauptete der Sohn Ruben Ursprung. Ohnehin sei es dem Laden in letzter Zeit nicht gut gegangen. »Ein überlebtes Konzept.«
    Hinterm Hauseingang feudelte Oma Scheible Ecken und Treppen.
    »So, hen sie dem jetz’ endlich de Lade abfackelt!« Mit krachenden Wirbeln richtete sie sich auf, soweit sie das noch konnte.
    »Wer sie?«, fragte ich.
    »Des tätet Sie gern wisse, gell?«
    »Schon!«
    »Ich kenn den Durs, da war er noch so!« Die Alte hielt die knorrige Hand in Hüfthöhe, was etwa meiner Kniehöhe entsprach. »Der kommt aus Gablenberg, wo ich auch herkomm, ’s war’en rechter Lausbub. Die Buchbinderlehre hat er abbroche! Lange Haar hot er g’het, zu dene Linke isch er gange. Die arme Eitere! Der Vadder hot ja dann mit seiner Fabrik für Hoseknöpf ein Vermöge g’macht.«
    »Und wer hat ihm den Laden abgefackelt?«
    »Des war sicher der Horscht und seine Blase. Dem hot er nämlich d’Freindin ausg’schpannt, und dere hot er na an Kind andreht, den Ruben.«
    »Das dürfte lang her sein. Ruben ist jetzt sicher vierzig Jahre alt.«
    Oma Scheibles graue Augen eierten etwas verunsichert. »So? Na, der Durs. Mit dem hot’s koine lang ausg’halte. Der hot’s nur mit dene Büecher g’het. Schaf fe, schaffe. Ja, fleißig isch er g’wähe. Wie dere … wie hoißt der gleich, der Kerle aus’em Fernsehe, wo se verhaftet hen. Emmer in der Weltg’schicht drommenom und Wei ber wie Finger an der Hand.«
    »Sie haben ja so was von recht, Frau Scheible.«
    Mit der Zeitung stieg ich aus dementer Vergangenheitsbewältigung hinauf in die Gegenwart, schlürfte Kaffee und schaute dem Regen zu, der jenseits der Fenster stetig von oben nach unten fiel.
    Warum hätte ein Brandstifter, der in den Laden husch te und dabei die Türglocke bimmeln ließ, bis nach hinten durchgehen sollen, um hinter der Kassentheke ein Feuer zu entfachen? Schneller hätte er die Bücher im vorderen Bereich angezündet. Dazu hätte er am besten eine Brandflasche – auch Molotowcocktail genannt – benutzt. Tuch im Flaschenhals anzünden, reinwerfen, wegrennen. So schnell hätte Ruben gar

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