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Malefizkrott

Malefizkrott

Titel: Malefizkrott Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Lehmann
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Buch drucken? Und was kann sich ein kleiner, im Grunde bürgerlicher Verlag wie Yggdrasil davon versprechen?«
    »Was ist denn so katastrophal an dem Buch, wenn ich mal fragen darf?«
    Matthias seufzte. »Man kann Lola Schrader nicht nachsagen, dass sie nicht schreiben könnte. Es klingt alles ganz gut, ganz professionell. Und viel besser als ihre ersten Versuche in diesem Blog für pubertierende Mädchen. Das mag allerdings daran liegen, dass alles, was im Buch steht, auch schon woanders steht.«
    »Sie meinen …«
    »Es ist alles zusammengeklaut! Das meine ich.«
    »Abgeschrieben?«
    »Eine Siebzehnjährige und all die Kokainlines, können Sie sich das vorstellen? Dass sie Tilidin säuft wie ein türkischer Diskoschläger und mit einer Horde Vergewaltiger durch die besetzten Häuser von Freiburg tourt?«
    »Vorstellen kann ich mir alles! Man muss ja nicht alles erlebt haben, was man beschreibt.«
    Matthias ließ sich ins Kissen sinken. »Weiß Gott nicht. Man kann es auch einfach irgendwo abschreiben. Generation copy and paste, verstehen Sie? Jetzt sagen Sie, Döblin hat auch Fremdtexte verwendet. Collage und Si multaneität. Ja. Aber da erkennt man, dass es Schlagerzitate sind, zum Beispiel. Und es dient einer Aussage. Welt stürmt auf den Protagonisten in Form solcher Wor te, Sätze, Phrasen ein, droht ihn zu überwältigen. Und das Cento …«
    Ich grummelte.
    »Das Flickengedicht, Cento von altgriechisch Kentron – mit Omega –, was Flickwerk, elender Mensch, Spitzbube bedeutet, das war ein Spottgedicht, das man aus zerstü ckel ten Zitaten neu zusammengesetzt hat, damit sich ein neu er Sinn ergibt. Die Zuhörer kannten die Zitate. Ja, man kann immer Fremdtexte benutzen – Zeitungsartikel, Werbung, Gedichte, Lexikonartikel –, auch ohne Anführungszeichen zu setzen und eine Quelle anzugeben. Aber dann muss es der Leser erkennen können, beispielsweise, weil sich aus der Konfrontation eines Gefühls, das der Protagonist hat, mit einem Schlagertext, den alle kennen, ein Verfremdungseffekt ergibt, eine Überraschung, eine neue Erkenntnis, verstehen Sie.«
    »Ich kann folgen.«
    »Jetzt könnten Sie einwenden, Thomas Mann, Die Buddenbrooks, kennen Sie, ja?«
    Ich nickte und schüttelte den Kopf. »Ich werde nichts einwenden.«
    Matthias lächelte. »Der hat alles Mögliche in seinen Roman geflickt, seitenweise aus Lexika abgeschrieben, und niemand regt sich darüber auf, obgleich man es nicht merkt, zumindest heute nicht mehr nach über hundert Jahren.«
    »Die Zeit heilt alle Wunden!«
    »Ungefähr so, jede Blütezeit der Literatur basiert auf der Kraft und Unschuld ihrer Plagiate! … Leider nicht von mir. Wir zwei, Frau Nerz, wir sprechen uns in vierzig Jahren wieder. Und wenn diese Schrader dann mit zehn ordentlichen Romanen ihr herausragendes literarisches Talent bewiesen hat, dann … dann nehme ich alles zurück. Dann war’s Kunst, nicht Raub!«
    Ich ahnte, dass es das gewesen war, was er hatte anmerken wollen, als das Feuer ausbrach. »Und von wem hat sie nun abgeschrieben?«
    Matthias deutete auf den Laptop, bei dessen warmem Rauschen er eingeschlafen war. »Ich bin gerade dabei, die wichtigsten Belege zusammenzustellen. Leider fehlt mir hier ein Zugang zum Internet. Aber über kurz oder lange werden Sie von mir hören, oder besser: lesen.«
    »Da bin ich mal gespannt. Was anderes, Herr Kern. Dieser Typ, der mir und Ihnen geholfen hat, aus der Buchhandlung rauszukommen …«
    Er schaute mich an. »Ja?«
    »Wissen Sie, wer das war?«
    »Ich dachte, das sei Ihr Freund oder so. Er war dann plötzlich weg.«
    »Erinnern Sie sich, was das für einer war? Jung, alt, Spiderman?«
    Matthias lachte. »Sie stellen Fragen! Ich habe echt nicht viel mitgekriegt. Er war besorgt. Freundlich. An die Haarfarbe erinnere ich mich nicht, vermutlich irgendwas zwischen blond und schwarz, eher schwarz. Ich weiß es wirklich nicht. Was ist mit ihm?«
    »Er hat Ihnen das Leben gerettet. Mit mehr bewusster Absicht als ich. Er kam nämlich von draußen rein und hat mir geholfen.«
    »Hm. Vielleicht möchte er unerkannt bleiben.«
    Ich gab Matthias Kern meine Karte, auf der nur meine Handynummer stand. »Vielleicht wollen Sie ja mal ein Bier trinken gehen, wenn Sie wieder raus sind.«

 
     
7
     
    Am Wochenende hatte ich was anderes zu tun. Montag früh rief ich Rudolf Wagenburg an, einen meiner Ex- Kollegen beim Stuttgarter Anzeiger, und erkundigte mich, was die Brandsachverständigen der Feuerwehr herausgefunden hatten. Der

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