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Malefizkrott

Malefizkrott

Titel: Malefizkrott Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Lehmann
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weißen Ledersofas würde niemand zu furzen wagen. Die Glasfront erlaubte direkten Einblick auch unterhalb der Gürtellinie. Nach dem, was ich über Feng-Shui wusste, ging es kaum unheimeliger.
    Auf dem Rauchglascouchtisch lagen die Süddeutsche , die Welt , der Stuttgarter Anzeiger und das Buch mit dem callgirlroten Cover.
    »Ja, das ist es, das Corpus Delicti.« Michel Schrader nahm es hoch, wechselte es von einer Hand in die andere, bevor er es mir überreichte.
    Lola lächelte Grübchen in ihre Backen. »Nur so eine Spielerei von mir.«
    Ich hielt mir das Buch verkehrt herum unter die Augen und ließ die Blätter unterm Daumen durchratschen.
    Michel Schrader runzelte die Stirn. Lola lächelte sich aufs Kinn. Der Unterschied zwischen ihr und mir war nur, dass meine Spielereien nicht gedruckt und unter die Leute gebracht wurden.
    Ich kann allerdings seit der Grundschule Texte lesen, die auf dem Kopf stehen, denn nur so hatte ich von meiner ersten Bank aus entziffern können, was die Lehrerin las, wenn sie uns eine Klassenarbeit schreiben ließ. Deshalb hatte mich schon in früher Jugend die Erkenntnis angesprungen: »Die Frau leidet als soziales und als Geschlechtswesen. Es ist schwer zu sagen, in welcher von beiden Beziehungen sie am meisten leidet. Daher ist der Wunsch vieler Frauen begreiflich, dass sie möch ten als Mann und nicht als Weib geboren worden sein.«
    In den Zeiten meiner Tätigkeit für die Frauenzeitschrift Amazone pflegte ich zu behaupten, dieser Satz sei von Simone de Beauvoir und habe mir schon in der Grundschule die Erleuchtung verschafft, dass es sich für mich nicht lohnte, das Ego-Projekt Frau weiterzuverfolgen. Keine hatte mir jemals widersprochen. Da hatte erst Richard kommen und August Bebels Die Frau und der Sozialismus ins Spiel bringen müssen. Gerne hätte ich diese Lehrerin heute gefragt, was sie damals bewogen hatte, Bebel zu lesen. Ich vermute, sie ist nicht im Schuldienst geblieben. Vielleicht ist sie damals verzweifelt an Ungerechtigkeit und Vietnamgemetzel und wurde – Anfang der siebziger Jahre – aus dem Dorf in die antiimperialistische Stadtguerilla gespült, kaufte einen Wecker, der für einen Kaufhausanschlag benutzt wurde, gewährte einer gesuchten Rote-Armee-Fraktionistin Unterschlupf und ging später in der Lesben- und Emanzenbewegung auf. Damals kannte man ja das iPad noch nicht und hielt deshalb die Weigerung, BH zu tragen, für eine Revolution.
    Und jetzt sprang mir aus dem falsch herum gehaltenen Buch der Satz in die Augen: »Hakim lässt Oliva nackt tanzen, während eine Katze sie kratzt und beißt. Immer weiter und weiter, bis er sich entladen hat.«
    Ich schaute hoch. Michel Schrader blickte weg. Lola kratzte sich mit kontaktlosem Blick die Hand unter dem langen Ärmel. Für einen Hausaufgabennachmittag war sie arg aufwändig geschminkt. Kajal um die Augen, Lidstrich, Mascara, ein kräftiges Violett auf den Lidern. Emo nannte man diese Farbrichtung. Das kam von Emotional. Emo sein lohnte sich eigentlich eher für Jungs, die sich schminkten und riesige Mützen auf toupierten Haaren tragen wollten, ohne als weibisch zu gelten, was die Lans nicht hinderte, sie zu mobben. Emo-Weibchen weinten nur ständig und ritzten sich die Unterarme.
    »Es verkauft sich ganz gut«, behauptete Michel. »Of fenbar hat Lola den Nerv der Zeit getroffen.«
    Ihr Blick kam hoch und prallte gegen mein Gesicht. Ein kleines Lächeln befeuchtete ihre Lippen.
    Na, du Malefizkrott, wer hat dir denn gesteckt, dass Schweinkram mit Gewalt immer den Nerv trifft?
    Mit einem Ruck zog sie den Haarvorhang vor ihr Gesicht.
    Empfindlich! Sensibel? Ich hätte gerne diese Stimme wieder gehört, mit der sie beim Eintritt in Ursprungs Laden »Guten Abend« gesagt hatte. Aber im Moment spielte sie was anderes. Ich kam nur nicht drauf, was.
    »Bitte nehmen Sie doch Platz!«, sagte der Vater.
    Ich steckte das Buch in die Innentasche meines Ja cketts, legte den Trenchcoat über die Sofalehne und schlug die Beine übereinander. Dabei knallte ich mit der Schuhspit ze unter den Couchtisch. Die Platte hob sich. Die Zeitungen rutschten.
    »Verzeihung.« Ich rückte die Platte wieder gerade.
    »Nichts passiert«, sagte Michel.
    Lola kicherte. »Passiert mir auch ständig.« Sie ließ sich schwerhüftig in einen Sessel plumpsen.
    »Darf ich Ihnen was anbieten?«, erkundigte sich der Hausherr. »Kaffee? Tee? Wasser?«
    »Einen Kukicha«, antwortete ich. »Wenn Sie haben.«
    »Ich furchte, ich weiß nicht einmal, was

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