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Malenka

Malenka

Titel: Malenka Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Irina Korschunow
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zwischen Flieder und Pfingstrosen, begann er mit seiner eigenen unglückseligen Geschichte, gegen alle Vorsätze, sagte er, aber er könne sie nicht immer nur sich selbst erzählen. »Ich habe Ihnen soeben mein Leben anvertraut, Fräulein Möller. Muß ich es bereuen?«
    Seine Hand berührte ihre, einen Augenblick nur, und Margot, aus Mitleid und um ihm die Angst zu nehmen, hätte sie am liebsten zurückgeholt. Doch Herr Baranow war schon aufgestanden.
    Auch die nächsten Veränderungen zeichneten sich bereits ab. Eine jüdische Organisation aus Philadelphia hatte für Joseph und Max Weinstein die Auswanderung in die Wege geleitet, bald sollten die Papiere kommen. »Amerikaner«, Max jubelte es fast, »wir werden Amerikaner«, und er verriet Margot im ersten Überschwang, daß er von seinen gehorteten Geldern auf dem Berliner Schwarzen Markt Diamanten zu kaufen gedenke, denn soviel stand fest, als Tellerwäscher würden er und Joseph drüben nicht anfangen. Was mit der Porzellansammlung geschehen war, erfuhr sie nicht, wollte es auch nicht wissen.
    »Und du«, sagte er, »kannst dich dann endlich zu deinen Deutschen setzen«, eine Anspielung auf die sich langsam wandelnden Verhältnisse in der Militärregierung. Das Fraternisierungsverbot galt nicht mehr, und als Ersatz für Ildiko und Eva waren jetzt zwei deutsche Mädchen in den Typing Pool gekommen, Schwestern, ihrer Ähnlichkeit wegen »the twins« genannt. Unermüdlich tippten sie vor sich hin, vierhändig sozusagen, synchron in Rhythmus und Geschwindigkeit, selbst die Köpfe bewegten sich im gleichen Takt. »Like two chickens«, befand Stanley Schofield, aber wenigstens würde jetzt im Büro gearbeitet werden, und Joseph mußte sich in die Nachbarschaft fügen.
    Auch Captain Laughans neue, vom Landrat empfohlene Sekretärin war Deutsche: Frau Barsinghaus, Witwe des gefallenen Gymnasialdirektors, eine große, schlanke Dame mit blondem Knoten und makelloser Vorkriegsgarderobe, die seinerzeit, eine weiße Fahne schwenkend, vor den Ratsherren hermarschiert war, um Iffenhausen den Amerikanern zu übergeben. Sie sprach ausgezeichnet englisch, war überhaupt perfekt, selbst Captain Laughan zuckte zurück, wenn sie die Augenbrauen hob, und Max Weinsteins Sottisen machten ihr insofern nichts aus, als sie, wie Margot von ihr hörte, ohnehin keine Gemeinsamkeiten mit ihm und seinesgleichen wünschte. Frau Barsinghaus und die Twins wurden morgens in Iffenhausen abgeholt und abends nach dem Essen wieder zurückgebracht, ein Klub für sich bei Tisch, mit deutlicher Mißbilligung, daß Margot nicht eindeutig Stellung bezog. »Wir sollten unseren Stolz zeigen, Fräulein Möller«, bemerkte Frau Barsinghaus tadelnd.
    Der Colonel konnte sie nicht ausstehen. »This Barsinghaus woman«, sagte er, Abscheu in der Stimme, und ein Geplänkel ihretwegen sollte den Anstoß geben, daß Margot schon im Juni über die Mauer der Annenburg sprang. Bildlich gesprochen jedenfalls, denn zu springen brauchte sie nicht, nur durch das Tor zu gehen.
    Es war nach einer Inspektionsfahrt, sie saßen im Auto, und der Colonel, nachdem er vor sich hingesonnen hatte, erklärte unvermittelt: »This Barsinghaus woman, she looks like a Nazi.«
    »Warum?« fragte Margot, mehr aus einer Laune heraus als in der Absicht, Frau Barsinghaus zu verteidigen. »Wieso sieht sie wie ein Nazi aus? Weil sie blond ist? Ich bin auch blond.« Sie schüttelte ihre Haare. »Sehe ich auch so aus?«
    Er antwortete nicht.
    »Vielleicht doch? Woran erkennt man den Nazi?«
    Übermütig, sie war übermütig, und Übermut, pflegte Anna Jarosch zu sagen, macht erst hopphei und dann vorbei. Der Tag war heiß gewesen, jetzt kam Kühle. Ein Duft von frischgemähtem Gras wehte durch den Wagen, und am liebsten wäre sie ausgestiegen und an den Wiesen entlanggelaufen in den Wald, dem Abend entgegen. »Oder bin ich doch einer?« Sie legte die Handrücken an die Stirn und wackelte mit den Zeigefingern. »Hakenkreuz und zwei kleine Hörner. Und wenn man...«
    Sie verstummte, als sie in seine Augen sah, dieser seltsame Blick, noch seltsamer als sonst.
    »Be quiet«, sagte er, »please, Maggie, be quiet.«
    In der Nacht hörte sie, wie es klopfte, leise erst, Teil ihres Traums. Dann wurde sie wach, es klopfte weiter.
    »Just a moment, Maggie.« Es war die Stimme des Colonels. Sie knipste die Nachttischlampe an und öffnete die Tür einen Spaltbreit, da stand er schon im Zimmer.
    Margot wich zurück, die Hände über dem Ausschnitt ihres

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