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Malenka

Malenka

Titel: Malenka Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Irina Korschunow
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Nachthemds gekreuzt, ein langes, weißes aus Frau Schapers Beständen, das sie aufgeknöpft hatte wegen der Wärme.
    »Don’t be afraid«, sagte Colonel Hollet und holte sie zu sich heran. Sie stand vor ihm mit gesenktem Kopf, sah die Pyjamahosen, dunkelgrün unter dem rot-weiß gemusterten Hausmantel, die braunen Pantoffeln, »look at me, Maggie«, sagte er, »let me look at you please.« Immer wieder unbegreiflich, was nun geschah, daß er ihr das Nachthemd abstreifte, langsam, erst einen Ärmel, dann den anderen, sie zum Bett drängte, da lag sie, und er, halb aufgerichtet in seinem seidenen Mantel, sah sie an mit wandernden Blicken, wie konnte sie es geschehen lassen.
    »Your are so sweet«, sagte der Colonel, »like a young fresh rose«, und vielleicht, dachte Margot in späteren Jahren, älter geworden und ehrlicher mit sich selbst, hatte sie auf mehr gewartet, nun, als er neben ihr lag, die Schranken gefallen, kein Schreibtisch zwischen ihnen und draußen Rhododendron und Jasmin und Ulrich Jensch nur ein Schemen, unerreichbar für ihre Sehnsucht nach Nähe und Zärtlichkeit. »Ist nicht bloß Mann«, hatte Anna Jarosch gesagt bei den Versuchen, ihre Enkelin aufzuklären über Juchhe und Ade, »hat auch Frau kleine Kröte in Bauch«, und möglich, daß es eine Sommernachtskröte war, die ihn ohne Seidenmantel haben wollte und grünen Pyjama. Er jedoch sah Margot nur an, und was ihre Haut berührte, war der Luftzug, der durch das offene Fenster kam.
    Colonel Hollet schien ihr Frösteln zu bemerken und deckte sie zu. Dann legte er sich auf den Rücken, das Gesicht nach oben gewandt, kein Blick mehr, kein Wort, keine Bewegung, die Zeit verging, irgend etwas mußte geschehen, küß mich, sagte der Frosch.
    »Colonel.« Margot hob die Hand und strich über seine Schulter. Er zuckte zurück, so heftig wie nach einem Schlag. »Behave yourself, Maggie, please«, sagte er, stand auf, zog die Pantoffeln an und verschwand, das Ende so schnell wie der Anfang, es war, als sei er nicht dagewesen.
    Zwei Stunden später, im Park lärmten schon die Vögel, holte Margot Herrn Baranow aus dem Bett. Schlaftrunken und stoppelbärtig stand er an der Tür in seinem Bademantel, rot-weiß gestreift ausgerechnet, zu eng über dem Bauch, und schäbiger Frotteestoff statt Seide.
    »Ich gehe«, sagte Margot, »und ich wollte mich nur von Ihnen verabschieden.«
    »Warum denn, um Himmels willen«, wollte Herr Baranow wissen und fragte, als Margot ihn nur mit Andeutungen versah, schließlich unverblümt, ob der Colonel ihr zu nahe getreten sei.
    »Ja«, sagte sie, was einen slawischen Wutanfall bei ihm verursachte. »Kolonialherren! Blutsauger! Sind wir ihr Eigentum?«
    »Seien Sie doch leise«, rief Margot, voll Sorge, daß Lauma und Gustav Mikitis im gegenüberliegenden Zimmer aufwachen könnten, und Herr Baranow murmelte, nachdem er sich etwas beruhigt hatte: »Konnten Sie ihn abweisen?«
    »Ja«, sagte Margot und legte den Kopf auf die Arme. Sie hatte fortgewollt, doch nicht so und schon wieder ins Ungewisse.
    Ihre Sachen waren gepackt, Pastor Schapers Koffer und ein Leinensack, den Frau Wolff aus Zeltplanen für sie genäht hatte. Es war sechs geworden inzwischen, eigentlich zu früh, um Max Weinstein zu wecken, aber es mußte sein. Unter lautem Fluchen, denn er war erst gegen Morgen von einer seiner Touren zurückgekehrt, versah er sie mit dem Nötigsten, Lebensmittelkarten, die zumindest echt aussahen, und für unterwegs ein englisches Weißbrot, ein Stück Käse, ein paar Schachteln Zigaretten. Als sie die Lindenallee entlangging mit dem schweren Koffer und dem Sack, die Möller- und Jaroschpapiere in der Umhängetasche, das Geld im Brustbeutel, fiel ihr Mellenthin ein, die Flucht um Mitternacht. Auch damals ein Parktor, aber Lore war bei ihr gewesen, und jetzt war sie allein. Sie blieb stehen, wollte umkehren, ging wieder weiter, bis ein Pferdewagen hielt und sie mitnahm bis zum Rathaus. Nach der polizeilichen Abmeldung ging sie zum Bahnhof. Eigentlich war Hannover ihr Ziel. Doch am Schalter zuckte ein Bild vorbei: die Diele im Pfarrhaus, Flüchtlinge um den Tisch herum, und sie, mit der Kelle in der Hand, teilt die Suppe aus. Wieder anknüpfen, wo sie aufgehört hatte, den Kreis schließen, nein, das nicht, dachte Margot, und kaufte einen Fahrschein nach Göttingen.
    War es die richtige Entscheidung? »Ja, die richtige«, wird Margot sagen, später jedenfalls, nach der Rückkehr zu sich selbst, auf Wegen, die sie anfangs noch für

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