Maler und Mädchen - Maler und Mädchen
sei, um im Laufe der Jahreszeiten von der Lufft unt den Vögheln verzehrt zu werden .
Mit letzterem Zusatz würde einer der Schöffen, Blaeu, doch so seine Probleme haben.
»Äh … ich weiß nicht. Ist das nicht ein bißchen zu hart?«
Die Amtsbrüder am Tisch würden zuerst ihn und danach, während sie die Sache hin und her überlegten, einander anstarren. Bis einer von ihnen die Fingerspitzen aneinanderlegen würde.
»Blaeu, werter Freund, Sie sind ein humaner Mensch. Ich verstehe Sie gut. Ich schlage vor, wir machen es davon abhängig, ob die Patientin Reue zeigt.«
So. Der Gerichtsschreiber blies vorsichtig über das Papier. Wie immer waren die ersten Zeilen am deutlichsten, in diesem Fall die Niederschrift der einfachen Anfangsfragen, die die Festgenommene vor einigen Tagen selbst hatte verstehen und beantworten können. Wie sie hieß, daß sie aus Jütland stammte und wo genau sie ihre Reise angetreten hatte. Über letzteres hatte das Mädchen nur ganz kurz nachdenken müssen.
Dann hatte sie gesagt: »Sprouwen.«
12
Leise treiben die Schneeflocken
Weiter! Wer ein Hindernis auf seinem Weg findet, dreht sich um und nimmt eine andere Route, die manchmal, und so war es auch in diesem Fall, sogar kürzer ist.
Die Reisende hieß Trein Jansdogter und stammte aus Hollanderby auf der Halbinsel Amak, gleich südlich von Kopenhagen. Elsje betrachtete die kleine Gestalt ungeniert. Die beiden wärmten sich an dem Feuer im Haus, die neu Angekommene hatte den Reiseumhang abgelegt. Elsje starrte auf den weiten knielangen Rock aus schwarzer Wolle, der auf dem Rücken zu zwei Seitenfalten gerafft war, wodurch dessen feuerrotes Innenfutter der Frau das Aussehen eines Truthahns gaben. Trauerkleidung, würde sie später erfahren, wegen des vor kurzem verstorbenen Ehegatten.
Wie heißt du, woher kommst du und wo willst du hin, das waren die Fragen, die Trein Jansdogter Elsje stellte, die diese aber zunächst nicht verstand. Was für eine Sprache sprach die Dame?
Die Dame sprach Holländisch, soweit sie wusste. Auf der Halbinsel Amak, die der dänische König vor mehr als einem Jahrhundert einigen Siedlern aus Broek im Waterland zur Verfügung gestellt hatte, hielt man nach wie vor an der eigenen Sprache fest. Einer Sprache, die zu jener Zeit übrigens dem Plattdeutschen sehr verwandt war, man kann sich vorstellen,welch schiefe Formen sich im Laufe der Zeit aus so etwas entwickeln können.
»Ihr mogt ruhig mit mir mitforn to de Küst bi Ribe«, sagte sie zum Beispiel, nachdem Elsje ihr klargemacht hatte, daß sie auf dem Weg nach Amsterdam sei.
Und Elsje knabberte genauso sorgsam an diesen Worten wie an der gebratenen Fasanenkeule in ihrer Hand. Etwas weiter hinten am Tisch stand der geöffnete Korb, den der Knecht, noch bevor er hinausging, um das Pferd auszuspannen, ins Zimmer geschleppt hatte. Elsje und Trein schlenderten, aus irgendeinem Grund nicht gesonnen, sich hinzusetzen, durch den kleinen Raum, in dem das Stroh, auf dem man in der vergangenen Nacht so herrlich geschlafen hatte, an die Wände geschoben war. Sie lachten, gestikulierten und radebrechten. Sie redeten miteinander, als hätten sie in einem dieser nützlichen Büchlein »Dänisch – Kauderwelschholländisch für unterwegs« das Kapitel »Freunde kennenlernen« aufgeschlagen.
»Bist du allein?«
»Wo kommst du her?«
»Hübscher Rock.«
Das Sprachproblem verringerte sich deutlich, als Zibrandt nach Hause kam. Die Nebelfelder, von der gefrorenen See aufgestiegen, versanken gerade in der Dunkelheit, als er, den Schlitten hinter sich, das Ufer erreichte. An den schwarzen Pferden in der Scheune mußte er bereits erkannt haben, wer seine Besucherin war, denn als er in die Stube kam, hatte er die Arme weit ausgebreitet. Die Verbindung zwischen den Bewohnern von Amak und seiner kleinen Insel war zwar sehr alt, aber keineswegs tot und begraben, man kannte und vertraute einander. Nach der Begrüßung und ein paar kräftigenSchlucken dolmetschte er die Reisepläne der beiden Frauen nahtlos zusammen. Elsjes nächste Etappe war bereits festgelegt, als Niels Eilschov und der Matrose, todmüde von der Arbeit am Rumpf der Dorothe, arglos hinzukamen.
»Wir stecken absolut fest«, sagte der unbeholfene Niels zu einem Mädchen, das es eilig hatte.
Trein Jansdogter war auf dem Weg nach Ribe, wo die mit einem Reeder verheiratete Tochter ihres Bruders in Kürze niederkommen würde. Ribe ist ein Hafenort an der Westküste von Jütland. Schiffe, die von dort aus in
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