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Maler und Mädchen - Maler und Mädchen

Titel: Maler und Mädchen - Maler und Mädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
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das zu ihr gehörte. Ohne das leiseste Bewußtsein eines Ziels im Leben. Ja, ein Gefühl höchsten Entzückens. Warum sollte ein einfältiges Kind des siebzehnten Jahrhunderts so ein Glück nicht einmal in seinem Leben erleben?
    Und dabei wußte sie noch nicht mal von den im Schnee neben ihnen herrennenden Tieren.
    Doch nach einiger Zeit: »Schau doch nur!«
    Sie stieß ihre Reisegefährtin an, weil sie ihren Augen nicht traute.
    Trein Jansdogter richtete sich auf und schaute. Dann lachte sie. Ziemlich dicht neben dem Schlitten rannte eine große Menge Hasen, bestimmt Dutzende, in dieselbe Richtung wie sie.
    »Sieht aus wie Hasen«, meinte Elsje unschlüssig.
    Trein antwortete, es seien tatsächlich welche.
    Die Tiere waren leuchtend weiß, noch weißer als der Schnee, wodurch es aussah, als würden sie von einem Licht, von dem man nicht wußte, wo es herkam, beschienen. Hasen, erfuhr Elsje nun, waren hier im Winter so weiß wie Milchlämmer und im Sommer so grau wie Iltisse.
    »Aber sie sind auch so groß .«
    Standen die Männchen auf den Hinterbeinen, dann maßen sie gut einen Meter.
    Wie Vorboten. Die noch keine Minute nach ihrem Erscheinen schon wieder im Schnee, im milden Frost verschwunden waren. Auch der Wind von West war heute mild. Eine Zeitlang sah Elsje unter dem Verdeck der Schneeflockenmasse zu, die lebendig, pfeilschnell dahinschießend, vom Pferdegespann zweigeteilt, vorbeiflog. Die Erinnerung an die Stadt, in die sie fuhr, kam hoch und verschwand wieder, aufgenommen in ein Geschick, das, so fühlte sie, weiter als das ihre reichte.
    Und tatsächlich näherte sich in diesem Moment bereits die aus mehr als dreihundert Ochsen bestehende Herde, die, aus dem Land und den Ställen rund um Odense stammend, dasselbe Reiseziel hatte wie sie. Die Hafenstadt Ribe. Danach per Schiff möglichst schnell weiter nach Amsterdam.Und auch dort würde das Schicksal, das ihnen vorbestimmt war, ihr und den Ochsen, noch immer eine Gemeinsamkeit aufweisen, traurig, unerbittlich, kurz gesagt: auf ein und dasselbe Schlagwerkzeug hinauslaufend.
    Die Pferde hatten sie als erste bemerkt. Der Knecht auf dem Bock knallte ein paarmal vergeblich mit der Peitsche, bis er einsah, daß jetzt er es war, der gehorchen mußte. Der Schlitten hielt an. Merkwürdiger Lärm erklang. Die drei Reisenden spähten in den Schnee, hörten erst die Schreie und Anfeuerungsrufe und sahen dann die Ochsentreiber auf ihren Pferden aus dem Nichts hervorschießen. Danach die Herde. Hunderte magerer Spukgestalten, die sehr viel lieber dahintrotten würden anstatt zu rennen, das konnte man sehen, strömten auf sie zu.
    Trein ließ mit Kennermiene eine Bemerkung über gute, wollige Tiere fallen.
    »Wollig?« fragte Elsje, die Treins Sprache inzwischen recht gut verstand.
    »Ja, wollig genug für jetzt, am Ende des Winters. Und nur ein kleines bißchen kleiner als die allerkräftigsten Ochsen, die wir auf Amak züchten.«
    »Ah.«
    Elsje stellte keine weiteren Fragen. Man braucht nicht alles bis aufs letzte I-Tüpfelchen zu wissen. Und schon bald hatte der fallende Schnee die Szene wieder gelöscht, lässig, als wäre es im Grunde nichts Besonderes gewesen, diese Herde von Tieren, die jetzt noch sehr mager waren, in ein paar Monaten jedoch, nach einem Aufenthalt auf einer saftigen holländischen Weide, schlachtreif zu einem stolzen Preis den Besitzer wechseln würden.
    Noch bevor es Abend wurde, erreichten sie die Stadt Assens,am Wasser des Kleinen Belt gelegen, der Fünen von Jütland trennt. Im Haus des Bürgermeisters, mit dem ein entfernter Verwandter von Trein Jansdogter Geschäftsbeziehungen pflegte, herrschte ab dem Moment, in dem sie vom Schlitten stiegen, Feststimmung. Die Bürgermeisterfamilie war groß: Töchter, Söhne und Enkelkinder wohnten hier alle zusammen. Mitten im Wohnzimmer stand ein zuschanden gespieltes Clavicembalo von der Firma Ruckers aus Antwerpen. Erst gegen Mitternacht kroch Elsje in ein Bett, dessen Matratze mit ein paar heißen Steinen angewärmt worden war, sie hatte nicht gewußt, daß man auf so eine Idee kommen konnte. Weil das Haus in der Nähe des Stadtwalls lag, hörte man nachts die Ochsen, die man auf ihrer Durchreise in die Republik für einige Tage in Ställen außerhalb des Tors untergebracht hatte, damit sie sich von den Entbehrungen unterwegs ein wenig erholen konnten.
    Elsje hatte sehr viel gegessen. War im Grunde halb betrunken. Die weichen Laken und Federkissen brachten sie fast zum Weinen vor lauter Panik und

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