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Maler und Mädchen - Maler und Mädchen

Titel: Maler und Mädchen - Maler und Mädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
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die Wärme des zischenden Feuers im Kamin und das Licht der Fackeln und Kerzen, das so grell war, daß sie einen Moment lang glaubte, hier stünde alles lichterloh in Flammen. Die Folterbänke, Räder, Ketten, Fußblöcke, Fässer, das fahrbare Büfett mit den Henkersschwertern und das Kohlebecken samt den mit dem Wappen der Stadt Amsterdam versehenen Brandeisen bemerkte sie nicht einmal.
    Die Befragung wurde heute im Beisein zweier Bürgermeister fortgesetzt. Gleich zu Anfang kam einer der Schöffen hinter seinem Tisch hervor und stellte sich so dicht vor sie hin, daß sie seinen fischigen Atem durch den Brandgeruch hindurch riechen konnte. Sie hielt den Blick gesenkt, hörte aber zu und verstand auch alles recht gut, was er ihr über ihren gestern begangenen Mord sagte. Auch als er nach der ganzen Geschichte zum Schluß seine Frage stellte, verstandsie die. Sie hob den Kopf, blickte aber doch aus einer bereits vertrauten Gewohnheit heraus zur Seite, wo sich der Dolmetscher ihrer Vermutung nach befand.
    Die Lippen bereits gespitzt, trat der ehemalige Schiffskoch vor.
    Wie sie es sich erklären könne, daß man den Leichnam der ermordeten Schlaffrau im Keller ihres Hauses vorgefunden habe …
    Elsje dachte kurz nach und erklärte es dann ihrem Landsmann.
    »Sie sagt, die Frau sei laut schreiend an der Kellertür zurückgewichen, sie habe nicht hingeschaut, wohin sie die Füße setzte, und sei dann rückwärts die Treppe hinuntergefallen.«
    Impulsive Geste des Schöffen zum Mädchen hin, sehr ungeduldig, fast wie ein Schlag: Weiter!
    Wieder ein kurzes Tête-à-Tête zwischen dem Koch und dem Mädchen.
    »Sie sagt, auf das Geschrei der Frau hin sind die Nachbarn an die Tür gekommen, und sie hat aufgemacht, sie sagt, sie hat ihnen erklärt, daß sie plötzlich furchtbares Nasenbluten bekommen hat und deswegen das ganze Blut an den Händen und auf den Kleidern hatte, sie sagt, sie ist auf die Straße gerannt und, völlig verwirrt, weil alle hinter ihr herstürzten, ins Wasser gesprungen.«
    Geraume Zeit war nur die kratzende Feder des Gerichtsschreibers zu hören.
    Am Donnerstagvormittag, dem ersten Mai, hat man ihr dann kaum noch neue Fragen gestellt. Die Sitzung war hauptsächlich dazu bestimmt, den gesamten Hergang noch einmal aus der Niederschrift zu verlesen, um das Mädchenerklären zu lassen, daß alles zutraf, und vor allen Dingen, um sie den Mord noch einmal gestehen zu lassen. Ohne ausdrückliches Geständnis, für das man hier in der Folterkammer notfalls genug Hilfsmittel zur Verfügung hatte, wurde kein Mensch in dieser Stadt hingerichtet. Unmittelbar darauf, höchstens eine Stunde nach der Sitzung, wenn sie schon wieder in der Zelle wäre, würde der Schultheiß eine angemessene Strafe für sie fordern. Selbstverständlich die Todesstrafe, aber welche? Es gab viele Arten. Die Schöffen würden, sobald auch der Schultheiß sich zurückgezogen hatte, dessen Vorschlag erörtern, auf welche Weise die Stadt das Mädchen zu Tode bringen würde, und ihn, sollte er ihnen nicht zusagen, nach Belieben leicht abwandeln oder ganz ändern.
    Niemand sagte mehr etwas zu ihr.
    Unbewußt wird sie wohl gemerkt haben, daß auch niemand sie mehr ansah. Was ihr bevorstand, ging in diesem Moment an ihr vorbei. Halb betäubt von den qualmenden Fackeln, ließ sie den Blick schweifen und entdeckte in einer Ecke auf dem Fußboden das Kohlebecken, ein fast beruhigend häusliches Ding auf vier Eisenbeinen, auf dem ein Satz Brandeisen von verschiedener Größe ordentlich aufgereiht lag. Sie hat auch an der Wand das Eichenholzschränkchen hängen sehen, in dem der Gefängniswärter die Salben- und Öltöpfchen aufbewahrte, mit deren Hilfe er die ihm Anvertrauten nach der Behandlung mitunter noch ein wenig aufzumöbeln verstand.
     
    Die Stadtväter warteten an den beiden Tischen, bis der Gerichtsschreiber mit seiner Niederschrift im Geständnisbuch der Justiz fertig war. Der Mann schrieb etwas langsamer alsbei den vorangegangenen Malen, vielleicht weil er darauf achten mußte, auf der linken Seite des Blatts einen ordentlichen Rand für das Urteil freizuhalten, das in Kürze, zunächst noch in Abwesenheit der Angeklagten, ergehen würde. Es würde lauten, daß sie, Elsje Christiaens, am Pfahl zu erdrosseln sei, bis daß der Tod einträte, daß ihr mit der Mordwaffe etliche Schläge an den Kopf zu versetzen seien und daß ihr Leichnam nicht der Erde anzuvertrauen, sondern an einem Pfahl auf dem Galgenfeld Volewijck zur Schau zu stellen

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