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Maler und Mädchen - Maler und Mädchen

Titel: Maler und Mädchen - Maler und Mädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
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verirrt, zu den Arkaden in der Mauer einer Bastion kam, wo Höhlenbewohner, Schweine und Schlamm zu einer beängstigenden Unterwelt zu gehören schienen. Trotzdem sah sie hier Kinder spielen, blasse kleine Wesen, die, ohne auch nur einen Moment innezuhalten, mit einer Schweine- oder Ziegenblase an den Lippen krähend herumrannten.
    Nach Hause! dachte sie, inzwischen hundemüde, und konnte damit schon nichts anderes mehr meinen als die Herberge am Damrak.
    Es war noch nicht ganz dunkel, als sie dort ankam. An der Tür brannte keine Laterne, doch das Vorderhaus, rechts, war spärlich beleuchtet. Ohne auch nur den Versuch zu unternehmen, nach den Pantoffeln auf der Treppe zu tasten,machte sie sich auf den Weg nach oben, als eine Stimme aus dem Vorderhaus sie aufhielt.
    Die Schlaffrau erschien mit einer Lampe in der Hand in der Tür. Sie sagte nichts zu den schlammigen Stiefeln, sie fragte nicht nach Geld (Elsje, die sich gerade einen Viertelliter warmes Bier geleistet hatte, besaß in diesem Moment noch zwölf Stuiver). Sie schaute nur und murmelte dem Mann etwas zu, der, als einzige andere Person im Raum, im Halbdunkel hinter ihr stand.
    »Du bist ja klatschnaß. Komm, Schatz. Häng deine Jacke ans Feuer.«
    »Ja.«
    Als sie ungefähr eine Minute später langsam, schon fast träumend, die drei Treppen zu ihrem Verschlag auf dem Dachboden hinaufstieg, ertönte draußen gerade das etwas traurige, lange Signal der Stadttrompeter, das besagte, der Tag sei nun zu Ende. Elsje war gehorsam zum Feuer gegangen, sie hatte ihre Jacke ausgezogen, ihr Tuch abgelegt, alles ganz ruhig, und nach den Anweisungen der Schlaffrau über dem Gestell gleich neben dem Kaminschirm aufgehängt. Das Gesicht des Mannes, der sie währenddessen betrachtete, war nur, wie sie bemerkt hatte, ein verlangendes Gesicht gewesen und sogar ein wenig verlegen. Die Physiognomie der Schlaffrau hingegen war jetzt und an den darauffolgenden Tagen nicht mehr als Menschengesicht zu bezeichnen.
     
    Etwas Ungutes hatte sich in das Haus eingeschlichen. Schwer zu sagen, was genau. Das Wetter war dunkler geworden, schon wahr, es sah eher nach November aus als nach April, der so schön angefangen hatte. Verschiedene Gäste verließendas Haus. Einer von ihnen, nachdem er sich über Gestank in seinem Zimmer beklagt hatte.
    »Völlig normal«, hatte die Schlaffrau erklärt, die mal kurz geschnuppert hatte.
    »Mensch, daß ich nicht lache.«
    Es stellte sich recht schnell heraus, daß eine Ratte von der Größe eines gemästeten Kaninchens die losen Bodenbretter im Wandschrank ein Stückchen beiseite geschoben hatte, um darunter zu sterben und zu verwesen.
    Auch Katerina ging. Elsje, die kaum mit ihr gesprochen, sie aber doch in ihr Herz geschlossen hatte, kam ihr entgegen, als Katerina ihre Kiste die Treppe hinunterschleppte.
    »Warum gehst du weg? Wo gehst du hin?« rief sie betroffen aus.
    Sie selbst kam gerade von einer Fischbude in den Westhäfen, wo man die billigsten Sprotten der Welt bekam, am Ende des Tages manchmal sogar gratis.
    Katerina hatte die Kiste auf eine Treppenstufe gestellt. Während sie sie mit der Hüfte im Gleichgewicht hielt, nahm sie sich die Zeit, die andere forschend anzusehen.
    »Meine Oma ist krank«, antwortete sie und wandte sich bereits ab, um den kleinen Schlüssel, der ihr an einem langen Band um den Hals hing, ins Schloß der Reisekiste zu stecken.
    Kurz darauf: »Alles Gute für dich!«
    »Für dich auch, und vielen Dank!«
    Elsje ging in ihre kleine Kammer, in den Händen einen Malzkuchen, den sie zur Mittagszeit essen wollte, und die sanftorangefarbene Pfingstrose aus Samt, mit einer Nadel am Ausschnitt zu befestigen, die eine knappe Woche späterzusammen mit ihrem übrigen Hab und Gut an die Stadt fallen würde.
    Der siebenundzwanzigste April brach an, ein Sonntag. Sie hatte sich die letzten Tage keineswegs unvernünftig verhalten. Aus Sparsamkeit wenig gegessen, Wasser aus dem Stadtbrunnen getrunken, was ein wenig riskant war, aber für dieses eine Mal schon ging. Eine Arbeitsvermittlerin mit einem kleinen Büro am Zeedijk hatte ihr versprochen, daß sie etwas für sie hätte, wenn sie nach dem Wochenende wiederkäme. An diesem Sonntagnachmittag sagte der Mann, der sie vor einigen Tagen am Kamin im Vorderhaus verlegen angelacht hatte, sie solle nicht so kindisch tun. Er hatte sie auf dem Flur im ersten Stock küssen wollen. Als sie einen Augenblick später zur Haustür ging, hätte man meinen können, sie habe die Schlaffrau

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