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Maler und Mädchen - Maler und Mädchen

Titel: Maler und Mädchen - Maler und Mädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
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aufgenommen, und irgendwie spürte sie das. Sie sank mit den Knien auf das weiche schwarze Kissen, das man für sie bereitgelegt hatte. Auch der Geistliche kniete nieder und stimmte, nun da der Kreis geschlossen war, mit geübter Stimme ein uraltes Gebet an, dessen Ausgangspunkt, im Eisen der Zeit bewahrt, von jedermann als normal empfunden wurde. Gott, der gesehen hat, wie das warme Blut Seiner Schöpfung vergossen wurde, verlangt jetzt im Tausch dafür selbstverständlich das warme Blut des Vergießers.
    In dem Kreis sahen sich zwei Männer an. Sie hatten das sorgfältige und gewissenhafte Töten schon etliche Male miterlebt, dem Gebet glaubten sie.
    »Wenn sie bloß vernünftig ist nachher«, signalisierte Joan Blaeu seinem Kollegen Cloeck auf der gegenüberliegenden Seite.
    Er war der Sohn eines Vaters, der vor vielen Jahren nach Dänemark gereist war, um von einem wüsten Gelehrten, dem Gotteswunder Tycho Brahe, alles über das Firmament zu lernen, was nur menschenmöglich war, und danach nach Amsterdam zu kommen, um bis zu seinem Tod Globen zusammenzusetzen und Landkarten zu drucken. Joan Blaeu, wahrer Sohn, der das Werk seines Vaters fortgesetzt hatte, blickte unglücklich von Cloeck, ihm gegenüber im Kreis, zu Elsje.
    Dachte er an ihre Heimat, in die auch sein lernbegieriger Vater den Fuß gesetzt hatte? Es kann in einem entfernten Winkel seiner Gedanken mitgespielt haben. Ansonsten war er, Joan Blaeu, in erster Linie ein Mann von sanftem Charakter, verheiratet mit seiner Jugendliebe, einer Vermeulen-Tochter,die ihm drei tote und sechs lebende Kinder geschenkt hatte. Falls er überhaupt an Füße gedacht hat, dann werden es eher die von Elsje gewesen sein, dem heftigen Kind, das am achtundzwanzigsten April im Schöffensaal verhört worden war und dann den ganzen Bürgersaal der Länge nach durchschritten hatte. Ja, da liegen in drei in Marmor eingebetteten Kreisen die riesigen Karten des sanftmütigen Joan Blaeu. Mit ihren kleinen Füßen war die Mörderin zunächst über seine Südhalbkugel gegangen, danach hatte sie sein mit den Himmelskörpern besätes Firmament durchquert, die Blaeu, Ausbilder der Steuerleute der Vereinigten Ostindischen Kompanie, wie kein anderer kannte, um zum Schluß über die den damaligen Auffassungen entsprechende Nordhalbkugel auf ihre Befrager zuzugehen.
    Cloeck hatte sein typisches schiefes Lächeln zurückgeschickt.
    »Ogottogott, ja!«
    Er war ein Bär von einem Kerl, urgesund, der Ton aß, um als Mann in viriler Form zu bleiben, und sich zu Hause taub stellte, um den Frieden bewahren zu können. Er war stolz darauf, übrigens zu Recht, daß seine Seilerei am IJ, falls nötig, die gesamte baltische Flotte, die hundertneunzig Schiffe zählte, mit Tauwerk ausstatten könnte.
    Sie erhoben sich. Alle taten das, auch Elsje. Das Gebet war zu Ende. Es hatte sich von einem sehr dunklen Beginn zu einem kleinen Lichtpunkt am Ende bewegt. Als der Pfarrer vor sie hintrat und seinen Blick in den des Mädchens bohrte, sahen alle, daß sie zuhörte. Möglicherweise wußte sie sogar, worum es ging, hatte den starken Wunsch aller Beteiligten um sie herum bereits erfaßt, sie solle Reue zeigen, tiefes Bedauern, in den letzten Minuten ihres Lebens.
    Er fragte sie leise. Mit einer Stimme, die sich kaum von einer Männerhand unterscheiden ließ, die einem übers Haar streicht.
    Also, Schätzchen?
    Im Justizraum erinnerte man sich an den dankbaren Fall vor einigen Wochen, als man auf der teuflischen Visage eines Kutschers, der nie eine städtische Lizenz hätte bekommen dürfen, im Bruchteil einer Sekunde die Sanftheit der Reue hatte durchbrechen sehen. Der Mann, der wegen des Mordes an einem Kunden gehängt werden sollte, hatte so überzeugend seinen alten Vater und seine alte Mutter um Verzeihung angefleht, daß man beschloß, ihn mit einem Sarg und einem Grab zu belohnen.
    Elsje blickte zu dem Geistlichen auf. Ihre Wangen und ihr Mund waren leicht gebläht, als bekäme sie einen Bissen nicht hinunter und dürfe bloß nicht an den nächsten Bissen denken. Man erwartete jede Sekunde ihr herzzerreißendes Schluchzen.
    Sie schüttelte sanft den Kopf.
    Man glaubte es nicht.
    Sie schüttelte den Kopf nicht wie jemand, der nein sagt, sondern wie jemand, der, fassungslos, wieder zu sich kommen will.
    Also beugte sich der Pfarrer erneut zu ihr vor, sah ihr noch fester in die Augen als eben und schlug ihr noch einmal vor, das Blut von ihrer Seele zu waschen. Sag, daß es dir leid tut, Kind. Der Tod ist

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