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Maler und Mädchen - Maler und Mädchen

Titel: Maler und Mädchen - Maler und Mädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
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schlurfen und die nach innen aufgehende Kellertür aufzudrücken. Elsje, noch immer rasend, weißglühend, wird im nachhinein nicht erklären können, ob sie die andere die Treppe hinuntergestoßen hat oder nicht, es wird sie auch nicht interessieren. Die Frau wankt, durch das aufgelöste Haar kriechen zickzackförmige Rinnsale dunklen Bluts, wie Aale, zu ihrem Rücken. Eine Hand zwischen den Besen, die dort an einer Latte an der Wand hängen, versucht sie sich aufrecht zu halten, ein Fuß tastet nach einer Treppenstufe.Was will sie mit ihrer Flucht in diese ausweglose Höhle erreichen? Würde das starke junge Mädchen ihr nicht mühelos folgen?
    Genau dieses Abwägen liegt im letzten Blick eines hervorquellenden Augenpaars über schwarzen Tränensäcken. Das Mädchen auf der anderen Seite der Türöffnung bekommt davon nichts mit. Was sie mitbekommt, ist ein voluminöses Ächzen, tief aus dem Leib gegenüber, das keineswegs wie ein Todesröcheln klingt, im Gegenteil. Das erträgt sie nicht. Und zum erstenmal riecht ihre Nase, daß Blut einen Kupfergeruch hat. Absolut ekelhaft. Sie denkt gar nicht daran, die Frau zu begleiten, wohin auch immer, soll sie doch gehen, soll sie doch zusehen, wo sie bleibt! Alles an der Unglücklichen erregt jetzt ihren Abscheu. Und falls sie die Frau nicht getötet hat, dann hat sie sie eben nicht getötet!
    Als die Schlaffrau in ihren Keller stürzt, hat Elsje sich bereits unwillig umgedreht. Das Beil baumelt an ihrem herabhängenden Arm, fällt dann auf die Steinplatten.
    Doch das Geschehen ist nach außen gedrungen. Ist schon keine rein persönliche Angelegenheit mehr zwischen der einen und der anderen Frau. Die Häuser am Damrak scheinen direkt aneinandergebaut zu sein, haben in Wirklichkeit aber eigene, durch einige Zentimeter getrennte Mauern. Die Schlaffrau mag instinktiv gewußt haben, daß sie ihr Geschrei am besten in ein hohes, heulendes Register verlagert, wenn die Nachbarn den Alarm hören sollen. Während in Nummer achtzehn ein Bäckerehepaar die Füße bereits in die Schlappen für draußen schiebt, beugt Elsje sich über die Zimmermannskiste im Gang.
    Sie ist hochrot im Gesicht. Es kann keine Rede davon sein, daß ihre Raserei, ihr Entschluß, etwas zu tun, was tausendmalschlechter als schlecht ist, abgeflaut ist. Sie betrachtet sich nicht selbst. Sie betrachtet nicht, aus der Ferne, eine in Wirklichkeit kaum existierende Elsje Christiaens, ein hypothetisches Mädchen, das an einem willkürlichen Vormittag in einem willkürlichen Gang voller Kram in einer Werkzeugkiste etwas sucht, das sie vielleicht gebrauchen kann, den kleinen Mund entschlossen vorgeschoben.
    Keineswegs. Sie will weiter . Ihre rechte Hand verlangt erneut nach einer Waffe, also ergreift sie den Hammer. Während das Ehepaar von Nummer achtzehn in der kleinen Diele erst auf das Mädchen aus dem zweiten Stock stößt und dann auf die nach unten geeilte Hausfrau selbst, stürmt Elsje so schnell sie kann nach oben. Sie hat sich daran erinnert, daß noch immer ein paar Mieter im Haus wohnen, die im Moment zwar abwesend sein mögen, ja, aber gewiß nicht ihre Reisekisten samt Inhalt! Der Hammer liegt angenehm leicht, fest und toplastig in ihrer Hand. Im ersten Stock ignoriert sie das Zimmer des Mannes mit seinem vergeblichen Kußmund und den verlangenden Händen, steigt die zweite Treppe hinauf.
    Große Stille dort oben im Haus. In dem Raum auf der Straßenseite ist es noch dämmrig. Sie zieht den Vorhang zurück und sieht sich derweil bereits ungeduldig über die Schulter um. Die Reisekiste des Mieters steht, wo man sie erwarten kann. Als sie sie mit der Linken unter dem Tisch mit der Waschschüssel hervorzieht, spürt sie, wie ihr Herz pumpt. Das Schloß springt nach zwei Schlägen auf. Ehe sie sich’s versieht, ist sie schon mit beiden Armen am Wühlen. Gut so, Leinenwäsche, feine Sachen, Schnupftücher, Ärmel, alles überaus lohnend! Von einem heftigen, weiß der Himmel woher zugezogenen Diebesfieber erfaßt, gönnt sie sichnur wenige Atemzüge, bevor sie hinauf in ihr eigenes Kämmerchen steigt, wo sie die Sachen vorerst aufs Bett legt. Jetzt steht sie keuchend unter der Dachluke und faltet einen schönen Mantel auseinander, ein prachtvolles Stück, ohne weiteres verfügbar aus einem Koffer, der wohlgemerkt nicht einmal abgeschlossen war!
    Da läutet es. Die Herberge hat eine Glocke neben der Tür, die man aber oben im Haus nur sehr leise hört.
    Elsje richtet sich auf, den schönen Mantel in den

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