Maler und Mädchen - Maler und Mädchen
Zeugen sind sie selbst. An diesem Morgen ist niemand in der unmittelbaren Umgebung des Orts des Verbrechens zugegen, die paar Gäste, die die Herberge noch zählt, haben das Haus bereits verlassen, die Nachbarn haben zwar irgendein Geschrei gehört, aber och, vorläufig …
Die eine Frau ist jung. Sie steht erst am Anfang ihres Erwachsenenlebens, das heißt, so ungefähr alles, würde man sagen, liegt noch vor ihr. Was sie bereits kann, ist mähen, Pferde lenken, Hufe auskratzen, Hunde dressieren, Endivie häufeln, Federn aufsammeln, Leinensäcke nähen, Feuer machen, Messer schleifen, alle möglichen kleinen Tiere schlachten, häuten, zerlegen und sie danach pochieren oder braten, und sie weiß auch schon eine Menge aus dem Bereich der von ihr angestrebten Laufbahn, putzen, aufwischen, bürsten, fegen, bleichen, bügeln, ausklopfen. Nur die größte Heldentat des Frauenlebens, ja zu einem Mann zu sagen, hat sich bei ihr noch nicht ergeben, doch statistisch gesehen müßte sich das jetzt bald ändern. Von den elfhundert Dienstmädchen, die alljährlich in die Republik kommen, finden die meisten binnen Jahresfrist einen Mann. Elsje Christiaens. Als Kind war sie manchmal wie ein Schmetterling, so ein lichtdurchlässiges Stück weißer Seide, das auf gut Glück zwischen den Bäumen im Wind umherflattert. Augapfel und Spielball ihrer älteren Schwester. Von keinerlei Zweifel geplagt, erhebt sie heute ein Beil und läßt das schwere Blatt ein wenig sinken,bis hinter ihre linke Schulter. Dabei kommen ihre Ellbogen nach vorn. Instinktiv berechnet sie die Kraft, die sie braucht. Sehr feine Konzentration, so rein wie Pech. Im Begriff, die andere Frau zu erschlagen.
Ein altes, häßliches und nicht einmal wirklich unsympathisches Weib, allenfalls ein bißchen unmoralisch in puncto Geldverdienen. Über sie gibt es nicht mehr zu sagen, als daß sie es irgendwann für eine ausgezeichnete Idee hielt, das Mädchen hier, vor ihrer Nase, mit einem blöden, schlaffen, alternden Junggesellen zu verkuppeln, nicht für immer, sondern lediglich für dann und wann. Ihr Beruf hat sie mitten ins Leben gestellt. Er hat ihr Auge dafür trainiert, in einem Mädchen, das die Miete nur schwer aufbringen kann, untrüglich, automatisch, eine Milchkuh zu erblicken, die durchaus dazu beitragen könnte, daß das Haus ein nettes Sümmchen zusätzlich abwirft.
Jeder Mensch trägt die künftigen Fakten seines Lebens vom ersten Atemzug an in sich. Unglücklicherweise für die Schlaffrau, wie sich zeigt, sind das an diesem Tag die Beilhiebe, die ihr geschickt von einem Mädchen beigebracht werden, das noch nie einer Fliege etwas zuleide getan hat. Ein fügsames Kind, durch und durch gutwillig, wirklich nicht eines dieser Persönchen, bei denen man sich vor einem Zornesausbruch hier, einem Wutanfall da hüten muß. Sie ist allenfalls etwas starrköpfig von Natur. Merkwürdig findet sie merkwürdig, eklig eklig, abstoßend abstoßend. Vergleicht sie die klare Rolle, die hinter einer Gußglasscheibe für sie aufgeführt wurde, mit der vagen Rolle, die sie für sich selbst sieht, dann wird ihr übel.
Trotzdem – man hat in diesem Haus nichts von ihr verlangt, was sie ihren Richtern demnächst, und das ist schonwenige Stunden später, in Worten wird klarmachen können. Was wahr ist, muß und kann gesagt werden, was unsagbar ist, natürlich nicht. Es gibt Dinge, die begreift man mit dem Kopf, der voll von Worten ist, und es gibt andere, die man mit den Händen begreift, sofort, wie eine Schlange, die zubeißt. Als Elsje Christiaens erneut auf die Frau einhieb, bewies sie auf eine ganz eigene, ursprüngliche Weise eine Art Keuschheit, eine Sittsamkeit, die das eine verbergen wollte, etwas Persönliches, Erhaltenswertes, das andere hingegen mit gewaltiger Kraft äußern wollte. Das Beil drang auf Höhe des Scheitels in den Schädel der Schlaffrau ein und verursachte eine Fraktur und einen Bluterguß.
Zwei Frauen, beide am Ende ihres Lebens. Während die ältere sich bereits in sehr schlechter Verfassung befindet, aber noch die Kraft besitzt, laut zu schreien, ist die jüngere in ihrem Element. Es scheint ein Gott zu sein, der durch sie handelt. Völlig klar im Geiste, bar jeder Regung außer dieser, und selbstverständlich kein Funken Reue. Kein Mörder in Aktion kennt Reue.
Inzwischen sind höchstens zwanzig Sekunden verstrichen. Die Ältere hat nun etwas Gerissenes in den Augen, etwas gräßlich Berechnendes. Sie schafft es, ein paar Schritte zur Seite zu
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