Malerische Morde
abzuholen.
»Köbes hat sich bei mir gemeldet«, sagte sie. »Er ist frei. Er lässt fragen, wann du ihn in Wittlich abholen kannst.« Ein verstohlenes Lächeln huschte über ihr Gesicht. »Er hat es sehr eilig, von dort wegzukommen.«
»Hm«, machte Herbie und nun setzte er ein gequältes Gesicht auf. »Weißt du, das passt mir jetzt irgendwie gar nicht.«
»Wie bitte?« Ulrike riss empört die Augen auf. »Zuerst machst du hier so ein Theater, kurvst durch die Gegend und belästigst die Leute, damit er endlich aus der Haft entlassen wird, und jetzt …«
»Man ist manchmal gezwungen, Prioritäten zu setzen, verstehst du?« Herbie bog mit einem rasanten Schlenker auf den Parkplatz ab, sodass die Steinchen durch die Gegend prasselten und der einsam herumhumpelnde Frührentner erschrocken zur Seite sprang. Dann griff er über die schockierte Ulrike hinweg nach dem Türgriff und öffnete die Beifahrertür.
»Tut mir wirklich leid, Uli, aber ich möchte hier nur ungern den Motor abstellen. Wer weiß, ob ich ihn je wieder gestartet bekomme. Das Auto hat mit diesem Platz schlechte Erfahrungen gemacht.« Er versuchte ihr mit einem stummen Wink möglichst schonend beizubringen, dass es höchste Zeit sei auszusteigen.
»Das ist Köbes’ Auto!«, schimpfte Ulrike. »Du kannst ihn doch unmöglich da in Wittlich stehen lassen, Herbie, das geht doch nicht.«
Er wartete nicht ab, bis sie mit den Beschimpfungen begann, denn er wusste, dass sie darin wirklich einsame Spitze war. Er kannte das Ehepaar Nießen schon ausreichend lange, um das beurteilen zu können. Dann brauste er los.
Hast du nicht etwas Wichtiges vergessen, mein Bester?
»Was denn?«
Möglicherweise ihren Autoschlüssel
.
Herbie vollführte ein mörderisches Wendemanöver und kurbelte die Scheibe herunter.
Ulrike zeigte ein erleichtertes Lächeln. »Oh, Mann, Herbie, ich dachte schon, du meinst das wirklich ernst.«
Wortlos drückte er ihr den Autoschlüssel in die Hand und fuhr davon. Im Rückspiegel sah er, wie eine völlig konsternierte Ulrike langsam immer kleiner wurde.
*
In Bad Münstereifel parkte er das Auto in der Stadtmitte auf dem Klosterplatz und erwischte den Museumsleiter Harald Bongart gerade noch, bevor dieser sich daran machte, mit einer grölenden Schulklasse einen Rundgang durch das Heimatmuseum zu absolvieren.
Als er Herbie durch die schwere, alte Eichentür hereinkommen sah, breitete er freudig die Arme aus. »Herbie, mein alter Freund und Kupferstecher. Wie schön, dich wohlauf und gesund zu sehen.«
Jedes Mal, wenn Herbie seinem Freund Harald gegenüberstand, ertappte er sich dabei, wie er insgeheim Maß nahm und die Gestalt des großen, prallen Mannes mit der seines Schattens Julius verglich.
Mit dem würde ich mich mal gerne in der Wrestling-Arena messen
. Julius stellte sich neben Harald und versuchte, dabei möglichst imposant auszusehen.
Im Nebenraum probten die Viertklässler gerade den Aufstand gegen eine völlig überforderte Junglehrerin mit einem unaussprechlichen Doppelnamen, die um die Ecke schaute, Harald mit flehentlichem Blick aufforderte, sich zu beeilen und dann wieder im Gewimmel verschwand. Es dröhnte schrill aus dreißig Kehlen durch die kleinen Räume des alten Romanischen Hauses an der Langenhecke.
Harald Bongart konnte all das nicht aus der Fassung bringen. »Die werde ich gleich schon Mores lehren«, sagte er gelassen.
Er registrierte Herbies fragenden Blick, der für eine Sekunde durch den Raum strich, und er ahnte sofort, was das bedeuten konnte.
»Nun sag bloß, Julius ist wieder bei dir?«
Herbie nickte. Der Gesichtsausdruck, den er dabei aufsetzte, konnte alles Mögliche bedeuten. »Seit ich wieder in der Eifel bin, weicht er nicht von meiner Seite.«
Irgendjemand muss doch auf dich aufpassen
.
»Sei gegrüßt, Julius, wo immer du auch gerade bist«, rief Harald freudig in den Raum hinein.
In der Tat ein freundlicher Mensch. Manchmal glaube ich fast, wir beide sind so etwas wie Verwandte im Geiste
.
»Was hältst du von einem Bierchen im Café T, wenn ich hier fertig bin?«, fragte Harald, aber Herbie schüttelte den Kopf.
»Ich brauche eine Auskunft. Hoffentlich kannst du mir helfen.«
Harald versetzte ihm einen kollegialen Hieb auf die Schulter, und Herbie japste nach Luft.
»Weißt du, es geht um Eifelmaler.«
»Lebende oder tote?«
»In diesem Fall ausschließlich tote. Später erzähle ich dir mal alles ganz ausführlich, aber im Moment habe ich das Gefühl, dass ich keine
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