Malevil
rabenschwarz bei ihr. Doch sie ist
gute zehn Zentimeter größer, hat breite, wohlgegliederte Schultern, einen hohen, wie ein Schild gewölbten Busen, runde Hüften
und kräftige Beine. Ach natürlich, hätte ich das Herz, zu kritisieren, könnte ich ihre Nase ein wenig stark, ihren Mund ein
wenig breit, ihr Kinn ein wenig zu kräftig finden. Aber nein, mir ist nicht danach, ich bewundere alles, ihre Bäuerlichkeit
mit eingeschlossen.
Ich sehe meine Hände nicht, doch an der Bewegung, die sie mir mitteilen, merke ich, daß sie noch stärker zittern. Ich verberge
sie unterm Tisch, lehne mich mit Brust und Schultern an die Kante und stütze die Wange auf den Lauf meiner Flinte; unfähig,
ein Wort zu sagen, verschlinge ich Miette mit den Augen. Ich verstehe, was in Adam vorging, als er eines Morgens eine Eva
neben sich fand, noch frisch von der Werkbank, auf der man sie geformt hatte. Niemand könnte starrer vor Bewunderung, sprachloser
vor Zärtlichkeit sein als ich. In dieser Höhle, in die ich, um mein Leben kämpfend, gekrochen bin, strahlt Miette Licht und
Wärme aus. Ihre geflickte Hemdbluse ist aufgesprungen, ihr verschossener roter Leinenrock, abgenutzt und stellenweise von
Motten durchlöchert, wippt ziemlich hoch überm Knie. Ihre Beine sind wie bei den Frauengestalten Maillols etwas kräftig, und
ihre breitem nackten Füße stehen fest auf dem Erdboden, als zöge sie ihre Kraft aus ihm. Diese zukünftige Mutter der Menschen
ist ein prächtiges Menschentier.
Ich reiße mich aus meiner Betrachtung, richte mich in meinem Stuhl auf, halte mich mit beiden Händen, Daumen oben, Finger
unten, an der Tischkante fest und sage: »Setz dich, Miette.«
Meine Stimme erscheint mir schwach und heiser. Ich denke daran, daß ich sie in der Folge festigen muß. Miette setzt sich,
ohne ein Wort zu sagen, auf den Platz, den Jacquet vorher eingenommen hatte, eine ganze Tischlänge von mir getrennt. Ihre
Augen sind schön und sanft. Und sie faßt mich ohne jede Verlegenheit |193| mit jenem ernsthaften Ausdruck ins Auge, den Kinder haben, wenn sie einen Menschen sehen, der neu im Hause ist.
»Miette (ich mag diesen Namen Miette), wir nehmen Jacquet mit uns.«
In ihren dunklen Augen kommt Beunruhigung auf.
»Mach dir keine Sorgen«, füge ich gleich hinzu. »Wir werden ihm nichts Böses tun. Und wenn ihr, deine Großmutter und du, nicht
im Etang allein bleiben wollt, könnt ihr bei uns in Malevil leben.«
»Ach, wahrhaftig, allein im Etang bleiben, das wäre mir was!« sagt die Falvine. »Und ich bin dir ja so dankbar, mein Junge
…«
»Mein Name ist Emmanuel.«
»Also gut, danke, Emmanuel.«
Ich wende mich an Miette.
»Und du, Miette, bist du einverstanden?«
Sie neigt, ohne ein Wort zu sagen, den Kopf. Sie ist nicht gesprächig, doch ihre Augen sprechen an ihrer Statt. Sie lassen
nicht von mir. Sie sind im Begriff, den neuen Herrn zu beurteilen und abzuschätzen. Laß nur, Miette, sei beruhigt, du wirst
in Malevil nur Freundschaft und Zärtlichkeit finden.
»Woher hast du diesen Namen Miette?«
»In Wirklichkeit heißt sie Marie«, sagt die Falvine, »bei ihrer Geburt aber war sie sehr klein, sie ist ja vor der Zeit, mit
sieben Monaten, geboren worden, die Arme. Und Raymonde nannte sie immer Mauviette. Und da war unsere Catie, damals gerade
drei Jahre, die sagte Miette, und seither ist ihr das geblieben.«
Miette sagt nichts, lächelt mich aber an, möglicherweise weil ich mich für ihren Namen interessiert habe. Ihre Gesichtszüge
sind, zumindest wenn man sie an dem großstädtischen Schönheitsbegriff mißt, vielleicht ein wenig derb, doch wenn sie lächelt,
werden sie unvorstellbar hell und sanft. Es ist ein entzückendes Lächeln voll Aufrichtigkeit und Vertrauen.
Die Tür geht auf, und Jacquet, gefolgt von Thomas, kommt herein. Beim Anblick Miettes bleibt Jacquet stehen, wird bleich,
sieht sie an, wendet sich dann der Falvine zu und macht Miene, über sie herzufallen, während er sie wütend anschreit.
»Habe ich dir nicht gesagt, daß …«
|194| »Heda, langsam!« sagt Thomas, der seine Rolle als Wächter sehr ernst nimmt.
Er tritt vor, um seinen Gefangenen zu beschwichtigen, bemerkt Miette, die Jacquet mit seinem Körper verdeckt hatte, und bleibt
wie versteinert stehen. Die Hand, die er Jacquet auf die Schulter legen wollte, sinkt wieder herab.
Ohne lauter zu werden, interveniere ich.
»Jacquet, deine Großmutter hat mir nichts davon gesagt, daß
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