Malfuria. Das Geheimnis der singenden Stadt
mittelalterlich und dann doch wieder nicht. Es war fremdartig, wie aus einer Zeit, an die sich niemand mehr zu erinnern vermochte.
Der Harlekin-Mann stand in einem Obstladen und redete mit der Händlerin, einer Bauersfrau mit rosigem, rundem Gesicht. Ihre Augen leuchteten fröhlich.
Von weit her kamen die Bauern, um in Barcelona ihre Waren anzubieten. Die Frau war gerade dabei, eine Handvoll Trauben in eine Papiertüte einzuwickeln, als sie von dem Harlekin-Mann angesprochen wurde. Zumindest sah es für Jordi so aus, als würde der Harlekin mit dem gemalten Mund sprechen. Er beugte sich zu der Händlerin, als wollte er ihr ein Geheimnis zuflüstern.
Schnell ging Jordi an einem gegenüberliegenden Zeitungsstand in Deckung und lugte vorsichtig zwischen den Tageszeitungen hindurch.
Der Kunde, für den die Bauersfrau die Trauben einpackte, trat instinktiv zur Seite. Der Harlekin-Mann war der Händlerin jetzt ganz nah und für einen kurzen Augenblick lang glaubte Jordi zu sehen, wie Dunkelheit aus den Sehschlitzen in der weiß-schwarzen Maske mit der krummen Nase floss und die Augen der Bauersfrau benetzte.
Der Kunde, der das alles verfolgt hatte, wurde mit einem Mal so bleich, dass man hätte meinen können, einem Gespenst gegenüberzustehen. Er rührte sich jedoch nicht von der Stelle. Der Harlekin-Mann packte ihn so schnell am Arm, dass es wie eine flüchtige freundschaftliche Geste aussah. Er beugte sich zu seinem Opfer hinüber, das sich nur kurz zur Wehr setzte. Und dann war auch dessen erschrockenes Gesicht von Dunkelheit benetzt.
Mit einem Mal schien Jordi seine neu entdeckte Freiheit höchst trügerisch. Etwas ging in der Stadt vor sich und er hatte nicht die geringste Ahnung, was es sein könnte.
Die Geschichten von der fliegenden Galeone, die früher einmal die Hexen im Land gejagt haben mochte, blitzten in einem Winkel seines Hirns auf. Vielleicht hatten diese Gestalten etwas mit der Galeone zu tun? Aber warum trieben sie sich in Barcelona herum? Was suchten sie hier?
Jordi merkte, wie er sich krampfhaft an einer Zeitung festhielt, die er unwillkürlich aus dem Ständer neben sich gegriffen hatte.
Die Bauersfrau stand jetzt ganz still da, ebenso der Mann, den der Harlekin wieder losgelassen hatte. Die Mienen der beiden sahen, selbst auf die Entfernung hin, mit einem Mal anders aus. Das fröhliche Leuchten war gänzlich aus dem runden Gesicht der Bauersfrau verschwunden. Sie wirkte bleich, leblos. Und die Trauben, die sie noch immer in der Hand hielt, waren verfault.
Der Harlekin-Mann schaute von einem zum anderen. Die Augen, die keine waren, blickten leblos zur Straße und der Mund, der nur gemalt war, flüsterte keine Worte, die man sehen konnte. Er nickte der Bauersfrau und dem Mann im Anzug zu, dann verschwand er im hinteren Teil des Ladens und wurde eins mit den Schatten, die dort hinten lebten. Wieder hatte Jordi das Gefühl, als sei er einfach so verschwunden.
»Du da!«
Erschrocken drehte sich Jordi um.
Ein Mann mit hochgekrempelten Hemdsärmeln und einer Schnapsnase stand hinter ihm.
»Ich habe nichts getan«, sagte Jordi schnell. Er wusste, dass es viele Diebe in Dalt Vila gab. Der Zeitungsmann wusste das wohl auch.
»Willst du eine Zeitung kaufen?«
Im ersten Moment hatte Jordi keine Ahnung, was der Mann meinte. »Eigentlich nicht«, murmelte er.
Verstohlen warf er einen Blick zum Obstladen auf der anderen Straßenseite.
»Kauf eine Zeitung oder verschwinde von hier!«, fuhr ihn der Zeitungsmann mürrisch an. Er roch nach kaltem Tabak. »Ich mag es nicht, wenn die Leute nur zum Lesen herkommen. Sie betatschen mir meine Sachen und hauen dann ab, um ihr Geld sonst wo zu lassen. Auf die Art von Kundschaft kann ich gerne verzichten.« Er schnaubte und hustete danach recht lautstark in ein schmutziges Taschentuch. »Also, was ist jetzt?«
Aus den Augenwinkeln heraus beobachtete Jordi, wie die Bauersfrau und der Mann im Anzug den Obstladen verließen. Etwas schien mit ihren Augen zu sein. Sie sehen dunkler aus als vorhin, dachte Jordi und fragte sich, ob das Dämmerlicht ihm etwas vorgaukelte.
Der mürrische Zeitungsmann hatte genug. Er gab Jordi eine Ohrfeige. »Sieh zu, dass du Land gewinnst!«
Bevor er sich noch einen Tritt einhandeln konnte, machte Jordi, dass er wegkam.
Der Obstladen lag jetzt verlassen da. Vom Harlekin-Mann war keine Spur zu sehen. Es war, wie Jordi es vermutet hatte. Irgendwie war er eins mit den Schatten geworden.
Die Bauersfrau und der Mann im Anzug aber
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