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Malfuria. Das Geheimnis der singenden Stadt

Malfuria. Das Geheimnis der singenden Stadt

Titel: Malfuria. Das Geheimnis der singenden Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Marzi
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auch die Fensteröffnungen hier oben waren klein und rund, sodass sie sich nur mit Mühe durch eines würde hindurchzwängen können. Genau da lag das Problem. Würde sie jetzt versuchen, aus dem Fenster zu klettern, und gelänge ihr das nicht…
    Herrje, wie groß war wohl die Wahrscheinlichkeit, dass sie im Fensterrahmen stecken blieb? Sie war zwar spindeldürr, aber… sie hatte vorher einfach noch niemals mit dem Gedanken gespielt, sich durch eines der Fenster nach draußen zu zwängen. Warum hätte sie so etwas Törichtes auch nur in Erwägung ziehen sollen? Da draußen ging es gut acht Meter in die Tiefe, mindestens. Die Häuserwand war glatt und außerdem waren da die Flügel der Windmühle, groß genug, um jemanden, der unachtsam den Kopf nach draußen steckte, ernsthaft zu verletzen.
    Es musste einen anderen Weg geben.
    Sie rief sich das Gesicht des Kartenmachers ins Gedächtnis zurück. Etwas Dunkles war ihm in die Augen gekrochen, zumindest hatte es so ausgesehen. Als wären die Schatten, die sich hinter der Harlekin-Maske verborgen hatten, in den Körper des alten Mannes geflossen.
    Wie zum Teufel ließ man Schatten verschwinden?
    Indem man das Licht einschaltete? Wohl kaum, denn Licht gebar nur weitere Schatten.
    »Es muss dunkel sein«, dachte Catalina laut nach. »Im Dunkeln gibt es keine Schatten.«
    »Es sei denn…« Gequält rieb sie sich über die Augen. »Es sei denn, Dunkelheit und Schatten sind ein und dasselbe.«
    Am Ende gab es nur einen Weg, um herauszufinden, was es mit den Schatten auf sich hatte. Und wenn sie irrte, dann… Nun ja, darüber würde sie sich anschließend noch Gedanken machen.
    Plötzlich fragte sie sich, ob Márquez Schmerzen verspürte, wenn er mit den bloßen Händen gegen die Falltür schlug. Erneut drang das Nagelkratzen an ihre Ohren. Sie hörte Fingernägel brechen, irgendwo jenseits der Falltür. Holz splitterte.
    Die dicken, festen Schrauben lösten sich langsam aus dem Scharnier heraus. Jedes Mal, wenn sich der Kartenmacher von unten gegen die Tür warf, stob Staub auf und die Schrauben zuckten unruhig.
    Catalina hatte die Schatten nie zuvor als Bedrohung empfunden. Angenehme Begleiter waren sie gewesen und Verbündete im Kampf gegen die gleißende Mittagssonne. Doch jetzt sah das alles anders aus. Die Schatten waren darauf aus, sie zu fangen und…
    Was zu tun?
    Das Mädchen stutzte.
    Was wollten die Schatten eigentlich von ihr? Warum waren sie hinter ihr her? Weil ihre Mutter angeblich eine Hexe war, die lebendige Karten zeichnen konnte? War da nicht noch etwas gewesen? Was hatte ihr der alte Márquez sagen wollen, bevor es an der Tür gepocht hatte und der Harlekin-Mann aufgetaucht war?
    Eine der Schrauben wurde mit einem Ruck aus der Verankerung gerissen. Sie rollte über den Boden.
    Im Bruchteil eines Augenblicks fasste Catalina einen Plan, der vielleicht gut war, vielleicht auch nicht, aber auf jeden Fall wagemutig.
    Nein, sie würde nicht aus dem Fenster klettern. Selbst wenn sie es schaffen würde, hieß das, den alten Márquez zurückzulassen – und das brachte sie nicht übers Herz. Es gab noch einen anderen Weg und Catalina wusste, dass sie es sich nie verzeihen würde, wenn sie es nicht wenigstens versuchte.
    Schnell rannte sie von einem Fenster zum anderen und versicherte sich, dass die Läden verschlossen waren. Dann nahm sie eine Sandale, die in einer Ecke lag, und schlug mit ihr alle Lichter aus, bis auf eines. Schließlich suchte sie nach einem Versteck.
    Die Schläge gegen das Holz ließen mit einem Mal nach und die Geräusche hinter der Luke verstummten vollständig. Es war, als ob der alte Márquez Atem holte für einen letzten Angriff.
    Catalina kauerte sich an die Wand hinter der Falltür und verharrte in völliger Regungslosigkeit. Mit ein wenig Glück würde die Dunkelheit sie verbergen, wenn die Falltür aufsprang.
    In der Hand hielt sie die alte Sandale, die mehr als nur ein Loch in der Sohle vorweisen konnte. Über der Bodenluke baumelte die letzte noch verbliebene Lampe im Raum. Ihr Licht ließ die Schatten hervorkriechen, die zwischen den Regalen gelebt und sich unter den Stühlen und Tischen versteckt hatten. Sie waren überall, diese schattenhaften Fetzen geliehener Dunkelheit. Sie fluteten den Raum, bis nur mehr eine winzige Insel aus Licht übrig blieb, in deren Mitte sich die Falltür befand.
    Catalina saß ganz still. Die Sandale in ihrer Hand zitterte merklich. Nervös knabberte sie an ihrer Unterlippe.
    Warum waren die

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