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Malfuria. Das Geheimnis der singenden Stadt

Malfuria. Das Geheimnis der singenden Stadt

Titel: Malfuria. Das Geheimnis der singenden Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Marzi
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Buchstaben, meine Kleine. Die Buchstaben natürlich.«
    Und bevor Catalina überhaupt etwas dazu sagen konnte, öffnete er die Tür zum Garten.
    »Sesam, geh bloß auf!« Er trat mit dem Fuß dagegen und meinte: »Sie ist alt und klemmt immer öfter.«
    Der Raum dahinter reichte bis hinauf zum Dach. Die Verstrebungen der Spitzbögen waren mit Glaskeramiksteinchen verziert und die gewölbte Decke wurde von gedrehten Säulen gehalten. Beschriftete Zettel und Seiten lagen scheinbar wahllos auf dem Ziegelsteinboden verstreut, während an den Wänden, zwischen den unendlich hohen Regalreihen voller Bücher, sandfarbene Kokons in allen Größen hingen.
    »Willkommen«, raunte der Bibliothekar, »im Garten der verlorenen und wiedergefundenen Geschichten.« Firnis betrat den Raum als Erster und winkte die beiden hinter sich her.
    Catalina hatte noch nie zuvor eine Bibliothek betreten, aber irgendwie hatte sie sich einen solchen Ort anders vorgestellt. Ein Blick zur Seite sagte ihr, dass es Jordi wohl ähnlich erging.
    In der Mitte des Raumes befand sich ein riesiger Brunnen. Eine gusseiserne Skulptur, die allerlei wild ineinanderverschlungene Fabelwesen zeigte, ragte aus dem Wasser empor, in dem rot-gelbe und orange-lila Seerosen trieben. Es gab winzige Fische in dem Becken und auch einige Wasserschildkröten, die ihre kleinen Hälse streckten und reckten, um die Neuankömmlinge zu begutachten. In der Luft flatterten Schmetterlinge und ein nicht kleiner Teil der Beleuchtung kam aus den Leibern von schwärmenden Glühwürmchen.
    Zwei Männer, der eine klein, der andere groß, der kleine mit Bart, der große ohne, liefen mit langen, spitzen Nadeln im Raum umher und spießten Buchstaben auf. »Die beiden dort sind meine Assistenten«, erklärte Firnis. »Pérez und Reverte. Sie arbeiten schon lange in diesem Haus.« Er klatschte in die Hände. »Wir haben Gäste, meine Herren.« Die beiden Angesprochenen hielten augenblicklich inne und schauten den Jungen und das Mädchen, die beide etwas verloren in dem Raum herumstanden, neugierig an.
    »Guten Abend«, sagte Pérez.
    »Ich schließe mich an«, sagte Reverte.
    »Sie fangen die Buchstaben ein, die aus den Büchern fallen«, erklärte Firnis.
    Catalina betrachtete die Palmen, die an den Seiten des Raumes in die Höhe wuchsen und deren Blätter die Buchrücken zu kitzeln schienen. Es gab Kakteen, auf denen raupenartige Wesen mit schwarzen Augen und bunten Härchen hockten. Ganz ruhig saßen sie da und beobachteten die Herren Pérez und Reverte, wie sie all die Buchstaben aufspießten, die in der Luft herumsegelten wie Fetzen verlorenen Papiers.
    »Was ist das?« Es war Jordi, der die Frage als Erster stellte.
    Firnis lächelte gütig. »Bücher sind lebendige Wesen«, sagte er, »und wenn man ganz in sie eintaucht, dann erwachen sie zum Leben. Und wie die Gedanken, so bekommen auch die Buchstaben Flügel verliehen. Sie lösen sich vom Papier und flattern im Raum herum.«
    »Deshalb die Netze vor den Fenstern.« Catalina warf einen Blick auf die Buntglasfenster, die mit feinmaschigen Netzen verhangen waren.
    »Genau.« Firnis rieb sich die Hände. Er schien Freude daran zu haben, seine Bibliothek den Fremden vorzustellen.
    »Aber was tun Sie mit all den Buchstaben?«
    Pérez, der gerade nach einem ganzen Wort gegriffen hatte, rief herüber: »Wir fangen sie ein.«
    »Und dann fügen wir sie wieder zusammen«, ergänzte Reverte.
    Firnis deutete zu den raupenartigen Tierchen auf den Pflanzen hinüber. »Das sind Bücherwürmer«, sagte er. »Wir geben ihnen die einzelnen Buchstaben zu fressen. Nach einer Weile verpuppen sie sich und am Ende schlüpft ein neues Buch aus dem Kokon.«
    Catalina konnte nur staunen.
    »So entstehen aus alten Büchern immer wieder neue Bücher«, rief Pérez.
    Und Reverte sagte: »Und nichts, aber auch gar nichts, geht jemals verloren.«
    »Aber ihr seid nicht hergekommen, um unsere Bücherwürmer zu füttern, nicht wahr?«
    »Nein«, sagte Catalina.
    Firnis klatschte beschwingt in die Hände und ein runder Tisch, dessen spindeldürre Metallbeine bei jeder Bewegung knirschten und knackten, kam aus einer Ecke und setzte sich mitten in den Raum, gleich neben den Brunnen.
    »Das ist Quijote, unser Lesetisch«, stellte Firnis das Möbelstück vor.
    Der Tisch sagte nichts.
    Klar, ist ja auch ein Tisch, dachte Catalina.
    Zwei Stühle folgten dem Tisch.
    »Nehmt Platz.« Firnis selbst blieb stehen und faltete die Hände hinter dem Rücken. »Und nun sagt, was

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