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Malfuria. Das Geheimnis der singenden Stadt

Malfuria. Das Geheimnis der singenden Stadt

Titel: Malfuria. Das Geheimnis der singenden Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Marzi
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war keine Magie dahinter. Es gab keine Hexen, die zaubern konnten. Die Art von alten Frauen mit Buckeln und Katzen darauf, von denen erzählen nur die Märchen. Besen, Besen, Hexenbesen.« Er musste lachen. »So oder anders. Ihr kennt sicherlich viele dieser alten Geschichten, in denen Hexen immer die bösen Frauen sind, die Kindern etwas zuleide tun.« Er brachte es auf den Punkt. »Nein, Hexen gibt es nicht. Gab es nicht. Wird es nie geben.« Ein Buchstabe, der wie ein N aussah, das sich zu einem M streckte, setzte sich auf Firnis’ Arm. Der Bibliothekar packte ihn und gab ihn einem Bücherwurm, der ihn sogleich verschlang.
    »Unsere Gäste«, hörte Catalina Pérez sagen, »sehen müde aus.«
    »Erschöpft«, ergänzte Reverte.
    Die beiden Gehilfen standen vor einem Kokon, der sich leicht bewegte.
    »Vielleicht sollten sie sich ausruhen.«
    »Oben im Nadelturm.«
    Firnis überlegte kurz und fragte dann: »Seid ihr müde?« Bevor einer der beiden etwas erwidern konnte, gab er sich selbst die Antwort. »Natürlich seid ihr müde. Und hungrig.« Er klatschte laut in die Hände und der Tisch setzte sich in Bewegung, ging wieder dorthin zurück, wo er hergekommen war.
    »Warum tun Sie das?«, fragte Catalina mit einem Mal.
    »Was meinst du, Kind?«
    »Warum sind Sie so hilfsbereit?«
    Firnis grinste. »Weil ich ein netter Bibliothekar bin?« Er kniff die Äuglein fest zusammen, kam ihr ganz nah und raunte leise: »Du misstraust mir doch nicht etwa?« Er beobachtete sie ganz genau und für einen kurzen Augenblick fragte sich Catalina, ob es wirklich eine gute Idee gewesen war, hierherzukommen. »El Cuento vertraut mir«, sagte Firnis schließlich und fügte schnell hinzu: »Es ist ihm nur verboten, im Garten der Bücher wie wild umherzuwehen. Das wäre fatal, meinst du nicht auch?«
    Catalina atmete erleichtert auf.
    Ja, in der Tat. Bei El Cuentos Vorliebe für Wäscheleinen und Wäsche konnte sie sich lebhaft ausmalen, was mit all den Buchstaben passieren würde, wenn dem Wind in der Bibliothek zu wehen erlaubt werden würde. In engen Räumen wurde er immer ein wenig… ungestüm.
    »Ihr braucht keine Angst zu haben. Ihr seid hier sicher.«
    »Was hat El Cuento Ihnen erzählt?«
    »Kaum etwas. Er hat mich nur um Hilfe gebeten. Das ist alles.«
    »Wir würden uns gerne etwas ausruhen«, sagte Catalina. Die Erschöpfung, die die ganze Zeit über geschwiegen hatte, überwältigte sie mit einem Mal. Auch Jordi war erleichtert.
    Die Aussicht, nach all den Erlebnissen wieder in die Unsicherheit der Nacht hinauszumüssen, war für beide wenig angenehm gewesen.
    Sie wollten gerade aufstehen, als ein aufgeregter Schrei die Stille in der Bibliothek zeriss.
    Mädchen und Junge zuckten gleichermaßen zusammen.
    »Es schlüpft, es schlüpft!«, rief Pérez.
    Reverte war ganz nah an einen Kokon herangetreten.
    »Wollt ihr es sehen?«, fragte Firnis.
    »Was ist passiert?« Jordi ahnte es, konnte aber nicht glauben, dass es tatsächlich geschah.
    Catalina war bereits aufgesprungen und beugte sich neugierig über den Kokon.
    »Es schlüpft«, erklärte Firnis. »Ein kleines Buch.«
    Alle standen sie um den Kokon herum.
    Die sandfarbene Hülle brach gleich an mehreren Stellen auf. Papier raschelte leise. Ein Teil des Buchrückens zwängte sich aus dem Kokon heraus. Dann war da ein Lesebändchen, lilafarben und lebendig.
    »Was ist es?« Ganz aufgeregt beobachtete Pérez den Kokon.
    »Ich kann es noch nicht erkennen«, murmelte Reverte.
    Catalina widerstand dem Drang, es zu berühren.
    Ganz klein war es, zart und lila.
    Firnis trat vor, beugte sich zum Kokon, streckte die Hände aus und zog es behutsam heraus. Er drehte es um. Leise atmend lag es in seiner Hand.
    »Was ist es?«, wiederholte Pérez seine Frage.
    »Ja, nun sag schon!«, drängelte Reverte.
    Feierlich verkündete Firnis: »Es ist ein Gedichtband.«
    »Wie schön!«
    »Niedlich!«
    »Ein neuer Gedichtband.«
    »Und so lila.«
    Catalina starrte das kleine Büchlein nur an. Es roch, wie nur ein neues Buch zu riechen vermochte. Nach feinem Holz und frischer Tinte und leise, leise, auch nach Leim.
    »Darf ich es einmal halten?«
    Firnis gab es ihr sofort.
    »Du darfst ihm einen Platz in der Bibliothek aussuchen, wenn du möchtest.«
    Catalina brauchte nicht lange zu überlegen. Sie wusste genau, wo dieser Platz war. Mit dem Buch in der Hand ging zu einem Regal, das von einem Palmenzweig berührt wurde. Dort fand sie eine Lücke, klein und schmal, zwischen einer Sammlung

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