Malice - Du entkommst ihm nicht
Zwergkampfmäuse. Warte mal, was sind eigentlich Zwergkampfmäuse?«
»Die nächsten Verwandten der Zwergkampfratten?«
»Wofür habt ihr die Muffins wirklich gebacken?«
»Für die Reparatur von irgendeinem Kirchendach. Aber meiner Mutter ist das sowieso egal. Hauptsache, es ist ein guter Zweck.«
»Wo könnte Luke bloß stecken? Seine Mutter hat ihn den ganzen Tag nicht gesehen und er hat sein Handy zu Hause gelassen.«
»Was? Das legt er normalerweise doch keine Sekunde aus der Hand.«
»Eben.«
Kady kraulte Marlowe nachdenklich unter dem Kinn. »Hast du wegen gestern mit ihm gesprochen und ihn gefragt, was los war?«
Seth schwieg einen Moment. »Genau darüber wollten wir heute reden.«
Kady spürte zwar, dass ihr Freund ihr irgendetwas verheimlichte, war aber viel zu träge, um nachzubohren. Sie hatte sich wie eine Raupe in einen flauschigen Frotteebademantel gewickelt und trank ein Riesenglas eisgekühlte Limonade aus Fairtrade-Bio-Zitronen, die ihre Mutter selbst gemacht und ihr aufs Zimmer gebracht hatte. Ihre Abendplanung sah eine erfrischende Dusche, ein bisschen Lesen und planloses Surfen im Netz vor. Sie war so unglaublich entspannt, dass sie sich von nichts und niemandem aus der Ruhe bringen lassen wollte.
»Du machst dir Sorgen, oder?«
»Ich hab einfach ein ungutes Gefühl, Kady.«
»Es ist bestimmt nichts passiert. Wahrscheinlich ist er bloß bei einem Freund. Oder bei seiner neuen Freundin, die er vor uns versteckt hält.« Sie kicherte.
»H m … stimmt. In letzter Zeit hat er öfter so ein paar Bemerkungen über Leia gemacht.«
»Etwa die Leia aus unserem Chemiekurs? Her mit den schlüpfrigen Details!«
»Ich hab dir nichts gesagt und du hast nichts gehört, okay?«
»Meine Lippen sind versiegelt«, versprach Kady, während sie im Geiste schon die nächste Nachricht an ihre Cousine Jess in San Francisco verfasste und mit der freien Hand in den Computer tippte. Aber da sie dazu ihre Finger benutzte und nicht ihre Lippen, hatte sie auch kein schlechtes Gewissen. »Ich finde es echt nett, dass du dir solche Sorgen um ihn machst, wirklich, aber du bist nun mal nicht sein Kindermädchen, Seth. Wieso fühlst du dich immer für alle Leute verantwortlich? Entspann dich mal.«
»Aber man muss doch was tun, wenn man merkt, dass jemand Probleme hat. Was wäre das denn sonst für eine Welt, in der wir leben?«
Kady nahm das Handy vom Ohr und starrte es ungläubig an. Manchmal machte Seth sie sprachlos. Wenn er solche Sachen sagte, wusste sie nie, ob sie ihn süß oder einfach nur naiv finden sollte.
»Luke ist zurzeit ein bisschen schlecht drauf«, sagte sie und hielt sich das Handy wieder ans Ohr. »Mach dir keine Sorgen. Er wird uns schon erzählen, was los ist, wenn er so weit ist.«
»Ja, du hast wahrscheinlich Recht.«
Sie verabschiedeten sich und legten auf.
Kady streichelte Marlowe, während sie darauf wartete, dass Jess auf ihre letzte Chat-Nachricht antwortete. Aber anscheinend saß ihre Cousine inzwischen nicht mehr am Computer.
»So schlimm ist es hier in diesem Kaff gar nicht, oder, Kater?«, fragte sie Marlowe, der die Augen genießerisch zu Schlitzen verengte, während sie ihm das Brustfell kraulte. »Immerhin hab ich Seth und Luke und noch ein paar andere Freunde gefunden. Und du kleiner Süßmops wärst jetzt auch nicht bei mir, wenn wir nicht hergezogen wären. Es hätte viel, viel schlimmer kommen können.«
Trotzdem verspürte sie wieder diese unerklärliche innere Unruhe, die sie nicht mehr losgelassen hatte, seit sie aus San Francisco zurückgekehrt war.
Sie und ihre Mutter waren nach der Hochzeit von Kalifornien zu Greg nach London gezogen. Soweit Kady sich erinnern konnte, war sie dort eigentlich ganz glücklich gewesen. Aber dann war sie doch noch einmal in die USA zurückgeflogen und hatte vier Monate lang bei ihrer Tante und ihrer Cousine in San Francisco gewohnt. An den genauen Grund dafür erinnerte sie sich nicht mehr, wahrscheinlich hatte sie den frisch Verheirateten einfach eine Weile ihre Ruhe lassen wollen. Die Monate in San Francisco erschienen ihr im Nachhinein wie ein schöner Traum.
Sie hatte das merkwürdige Unbehagen zum ersten Mal verspürt, nachdem sie wieder nach London zurückgekehrt war. Wenig später entschied ihre Mutter dann, dass sie in das kleine Dorf Hathern ziehen sollten. Sie fühlte sich in der Großstadt nicht wohl, und wenn Alana etwas beschloss, mussten sich alle anderen fügen. Greg hatte keine Einwände erhoben, das tat er nie.
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