Malice - Du entkommst ihm nicht
Freund. Kady hatte Recht. Sein Verhalten war wirklich sehr merkwürdig. So still und in sich gekehrt war er sonst nie.
Die beiden hatten sich am ersten Schultag an der weiterführenden Schule kennengelernt und sich sofort angefreundet. Lukes Vater hatte vor der Scheidung und dem Umzug nach London im Jugendzentrum einen Kurs im Bogenschießen unterrichtet und die Jungs hatten ein ganzes Jahr lang einmal pro Woche dort trainiert. Irgendwann war es Seth zu langweilig geworden, auf eine unbewegliche Zielscheibe zu schießen.
Im Laufe der Jahre hatten die beiden sich die unterschiedlichsten Hobbys zugelegt und wieder aufgegeben: BMX-Räder, Sammelkarten, Comics, Fußball.
Sie hatten sich gestritten und versöhnt, hatten gemeinsam jeden Quadratzentimeter von Hather n – dem kleinen Ort, in dem sie wohnte n – erforscht und über alles geredet, worüber beste Kumpels nun mal so redeten. Ohne die Freundschaft mit Luke hätte Seth das eintönige Leben in Hathern kaum ausgehalten.
Aber in all den Jahren hatte er ihn noch nie so schweigsam erlebt. Selbst als Lukes Eltern völlig unerwartet verkündet hatten, dass sie sich scheiden lassen wollten, hatte er sich nicht zurückgezogen, sondern Seth sein Herz ausgeschüttet. Irgendetwas musste passiert sein. Etwas, was ihn wirklich bis ins Mark erschüttert hatte.
»Hey«, sagte Seth leise über Kadys Kopf hinweg. Luke wandte sich vom Fenster ab und sah ihn an. »Sag mal, ist alles okay bei dir?«
Luke warf den beiden Erwachsenen vorne einen prüfenden Blick zu und vergewisserte sich dann, dass Kady auch wirklich schlief. Er zögerte einen Moment, bevor er sich schließlich zu Seth herüberbeugte und flüsterte: » Malice sagt dir was, oder?«
Kady bewegte sich unruhig im Schlaf und murmelte etwas Unverständliches.
»Klar«, sagte Seth. »Was ist damit?«
Als Luke antwortete, war seine Stimme so leise, dass sie beim Klang des CD-Players und des Motorengeräuschs fast nicht mehr zu verstehen war. »Ich hab eine Ausgabe.«
»Krass! Du hast Malice gelesen? Und, wie ist es?«
Lukes Gesicht verdüsterte sich. »Komisch. Irgendwi e … echt komisch.«
»Jetzt sag schon, was los ist. Ich merke doch, dass irgendwas nicht stimmt.«
»Ich hab bloß Zeit zum Nachdenken gebraucht, das war alles. Ich wusste nicht, ob ich es dir überhaupt erzählen soll. Weißt du, ich will euch da nicht unbedingt mit reinziehe n …«
» Wo willst du uns nicht mit reinziehen?«
Luke gab ihm ein Zeichen, leiser zu sprechen. Aber Kadys Mutter schien nichts mitbekommen zu haben und schwatzte munter weiter.
»Gestern Abend hab ich den Spruch gesagt. Du weißt schon welchen.«
»Komm und hol mich, Tal l …« Noch bevor Seth den Satz beenden konnte, packte Luke ihn am Arm. In seinen Augen flackerte für einen kurzen Moment nackte Angst auf.
»Was hast du denn?«, flüsterte Seth. »Das ist doch bloß eine von diesen albernen Gruselgeschichten. Man verbrennt irgendwelches Zeug, sagt sechsmal den Satz und wird dann angeblich von Tall Jake geholt. Alles klar, Alter. Ich hab schon Klingeltöne gehört, die mir mehr Angst gemacht haben.«
Luke schüttelte ernst den Kopf. »Ich hab den Spruch gesagt und danach sind ein paar echt merkwürdige Sachen passiert. Das ist jetzt kein Witz.«
Seth musste sich zusammenreißen, um nicht laut aufzulachen. Er war sich ganz sicher, dass Luke ihn auf den Arm nehmen wollte.
»Was denn für Sachen?«
Luke öffnete den Mund, um etwas zu sagen, aber in diesem Moment bewegte sich die schlafende Kady und kuschelte sich noch enger an Seth.
»Geht’s euch da hinten gut?« Alana spähte durch die Lücke zwischen den beiden Vordersitzen. »Schläft meine Kleine etwa wieder? Ach, ist sie nicht süß?«
»Alles bestens, Mr s Blake«, sagte Luke.
»Sagt Bescheid, wenn ihr auch ein paar selbst gebackene Dinkelplätzchen haben wollt.«
»Machen wir.« Seth sah im Rückspiegel, wie M r Blake angeekelt das Gesicht verzog. Er mochte Dinkelplätzchen wahrscheinlich nur, wenn sie in Schinkenscheiben eingewickelt waren.
Als Alana sich wieder ihrem Mann zuwandte, um ihn über die gefährlichen Fettsäuren in Donuts aufzuklären, versuchte Seth sein Gespräch mit Luke fortzusetzen. »Was für Sachen sind denn passiert?«, fragte er noch einmal.
Aber es war zu spät. Luke schüttelte nur den Kopf. »Ich ruf dich morgen an«, flüsterte er. »Du kannst ja dann zu mir kommen und ich zeig dir das Heft und erzähl dir alles.«
Seth nickte widerstrebend. »Okay. Dann eben
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