Malice - Du entkommst ihm nicht
Rippen. Sie wäre am liebsten aufgesprungen und weggerannt, blieb aber wie gelähmt sitzen.
»Du wurdest heute Abend von einem kleinen Freund begleitet«, sagte Miss Benjamin. »In welcher Beziehung stehst du zur Königin der Katzen?«
»Ich weiß nichts über die Königin der Katzen!«, stieß Kady hervor.
Miss Benjamin musterte sie nachdenklich.
»Das ist die Wahrheit«, sagte Kady mit zitternder Stimme.
»Das glaube ich dir. Dann ist es aber umso interessanter, dass einer ihrer vertrautesten Diener heute Abend an deiner Seite war.«
»Ich weiß nicht, wovon Sie reden«, sagte Kady.
»Nein.« Miss Benjamin lehnte sich zurück. »Das tust du wirklich nicht.«
Kady sah sich verzweifelt im Wagen um, aber da war niemand, der ihr hätte helfen können, niemand, den sie hätte rufen können.
»Ich möchte, dass wir uns über eines einig sind, Mädchen«, sagte Miss Benjamin plötzlich. »Und ich rate dir, mir ganz genau zuzuhören, weil ich dich wirklich nur sehr ungern töten würde. Das käme uns gar nich t … gelegen. Wir ziehen es vor, keine Spuren zu hinterlassen, wenn es sich irgendwie vermeiden lässt. Das verstehst du doch sicher, nicht war?«
Kady nickte heftig.
»Du bist da in eine Sache hineingeraten, die ein paar Nummern zu groß für dich ist«, fuhr Miss Benjamin gelassen fort. »Lass es mich so sagen: Du bist eine Spur zu neugierig gewesen. Aber das ist nicht weiter schlimm. So sind Kinder nun einmal, außerdem machst du dir ja sicher auch Sorgen um deinen armen Freund.«
Sie beugte sich noch etwas weiter vor und ihre Stimme wurde schärfer. »Du wirst deinen Freund vergessen, hörst du? Du wirst vergessen, dass du jemals von Malice gehört hast. Du wirst alles vergessen, was du in diesem Haus gehört hast. Das ist die erste und letzte Warnung. Beim nächsten Mal machen wir kurzen Prozess. Haben wir uns verstanden?«
Kady wandte den Blick ab. Plötzlich stieß Miss Benjamin ihren rechten Arm über den Tisch, packte sie mit Daumen und Zeigefinger im Gesicht und quetschte ihre Wangen zusammen.
»Ob wir uns verstanden haben?«, zischte sie.
Kady nickte. Tränen schossen ihr in die Augen.
»Gut.« Miss Benjamin ließ sie los und zupfte ihr Kostüm zurecht.
Kady wandte den Blick ab und sah aus dem Fenster. Ohnmächtige Wut stieg in ihr auf. Sie war noch nie so eingeschüchtert und erniedrigt worden.
Im Fenster war wieder ihre eineiige Zwillingsschwester zu sehen. Ihr Gesicht war angespannt und ihr gegenüber, da, wo Miss Benjamins Spiegelbild hätte sein müssen, sah sie etwas anderes. Etwas, was Miss Benjamins Kostüm trug. Etwas, was hasserfüllte Augen hatte, mit schmalen, waagerechten Pupillen wie bei einer Ziege.
Etwas, was lange Reißzähne hatte.
Und verrunzelte Haut.
Etwas, was nicht menschlich war.
Kady hielt die Luft an und zwang sich wegzusehen. Der Anblick war unerträglich. Wenn sie noch länger ins Fenster geschaut hätte, hätte sie den Verstand verloren. Alles in ihr sträubte sich dagegen zu glauben, was sie gesehen hatte. Sie starrte wie betäubt auf die Tischplatte und begann zu zittern.
Miss Benjamin hob fragend eine Augenbraue und blickte zum Fenster. »Ah!« Sie lächelte boshaft. »Spiegel zeigen mich immer von meiner schönsten Seite, findest du nicht auch?«
Dann stand sie auf, beugte sich noch einmal zu Kady herunter und flüsterte: »Wenn du dich nicht an unsere Abmachung hältst, komme ich dich holen.«
Kady schloss die Augen. Als sie sie wenig später aufschlug, war Miss Benjamin verschwunden und der Wagen war wieder leer.
Abreise aus dem Uhrenturm
1
Zum Glück mussten sie die Menagerie kein zweites Mal durchqueren. Justin kannte noch einen anderen Weg.
»Es gibt einen direkten Lift runter in die Wartungskorridore«, erklärte er und blickte sich suchend um. »Den haben die Zischler früher immer benutzt, wenn sie runterwollten. Aber das Ding kann man von unten nicht bedienen. Es sind nirgends Knöpfe, um den Aufzug zu rufen. Also geh ich mal davon aus, dass man ihn von hier oben aus steuert.«
»Hat noch nie jemand versucht, einfach den Liftschacht hochzuklettern?«, fragte Seth.
»Doch«, erwiderte Justin mit finsterer Miene und Seth verzichtete darauf nachzufragen.
Kurz darauf entdeckten sie die Aufzugtüren, die unauffällig in die Mauer eingelassen waren. Daneben war tatsächlich ein Hebel angebracht. Als Justin ihn nach oben drückte, hörten sie, wie sich im Inneren der Wand ratternd ein Mechanismus in Gang
Weitere Kostenlose Bücher