Malice - Du entkommst ihm nicht
Andersen.«
»Richte deiner Königin aus, sie soll in ihrem Versteck bleiben. Hast du gehört?«
»Oh Mann, das ist doch alles viel zu verrückt, um wahr zu sein«, murmelte sie verzweifelt.
Aber es war nicht verrückt, es passierte wirklich. Und nach dem, was sie heute Abend erlebt hatte, erschien ihr die Vorstellung gar nicht mehr so abwegig, dass einer von Tall Jakes Feinden eine Katze geschickt haben könnte, um ihr zu helfen.
Zumindest hatte sie jetzt ein paar Anhaltspunkte. Sie hatte einen Ortsnamen: Crouch Hollow. Dort lebte Grendel, der Comiczeichner. Wenn sie herausfand, wo dieses Crouch Hollow lag, würde sie dort vermutlich weitere Antworten finden.
Sie kramte ihr Handy aus der Jacke und schickte ihrem Stiefvater eine SMS, in der sie ihn bat, sie am Bahnhof abzuholen. Ihre Mutter hätte sich furchtbar aufgeregt, wenn sie gewusst hätte, dass sie in London gewesen war und nicht in Leicester, aber die war jetzt bestimmt schon im Bett und schlief. Greg ging immer spät schlafen und stand erst mittags au f – eine Angewohnheit aus seinem früheren Leben als Computer-Nerd, die er nie abgelegt hatte. Alana würde nie etwas davon erfahren, da war Kady sich sicher. Greg würde ihr Geheimnis für sich behalten, sozusagen als Gegenleistung dafür, dass sie ihrer Mutter nichts von den Schinkensandwiches erzählte, die er regelmäßig heimlich aß.
Der Zug ließ die letzten Vororte von London endgültig hinter sich und fuhr aufs offene Land hinaus. Hinter den Fensterscheiben war alles nachtschwar z – Kady sah nichts als ihr eigenes Spiegelbild. Ihre kleine Nase, ihre perfekten kalifornischen Zähne (Gott, wie sie die Zahnspange gehasst hatte!), kräftige, gewellte blonde Haare, die sie zu dicken Zöpfen gebunden hatte, ihre Häkelmütze. Aber das Gesicht schien nicht mehr ihr zu gehören. Sie hatte das Gefühl, als würde hinter dem Fenster ihr eineiiger Zwilling sitzen und ihre Mimik bis ins letzte Detail nachahmen.
Verstört wandte sie den Blick vom Fenster ab.
Und schaute direkt in die kalten Augen vo n … Miss Benjamin.
2
Der Schock war wie ein Schlag in den Magen. Ihre Fingerknöchel traten weiß hervor, weil sie die Tasche in ihrem Schoß so fest an sich drückte. Sie war unfähig zu atmen oder auch nur ein Wort herauszubringen.
Ganz im Gegensatz zu Miss Benjamin.
»Guten Abend«, sagte sie mit eisiger Stimme. »Wir hatten noch nicht das Vergnügen, uns einander vorzustellen.«
Sie saß sehr gerade und trug ein strenges schwarzes Kostüm. Ihre blonden Haare waren zu einem straffen Knoten zusammengebunden, der ihre Augenwinkel nach hinten zu ziehen schien, sodass sie mit ihrer langen spitzen Nase und dem scharfen Kinn wie eine Riesenratte aussah.
»Du scheinst ja nicht sonderlich gesprächig zu sein«, stellte Miss Benjamin fest und schnippte ein Staubkörnchen von ihren ellbogenlangen Handschuhen aus schwarzer Spitze. »Das ist eine sehr gesunde Angewohnheit. Wenn du sie beibehältst, hast du vielleicht noch ein langes Leben vor dir.«
»Ic h … ich glaube nicht, dass wir uns kennen«, stammelte Kady, aber es hatte keinen Zweck zu lügen. Ihre Angst verriet sie.
»Streng genommen ist das durchaus richtig«, antwortete Miss Benjamin. »Aber ich denke, du weißt sehr gut, wer ich bin, habe ich Recht?« Ihre Augen glitzerten. »Es ist immer wieder schön, wenn man einem vertrauten Geruch endlich auch ein Gesicht zuordnen kann.«
Kady wurde übel. »Ich habe nichts gehört«, flüsterte sie.
»Wirklich nicht?« Miss Benjamin zog zweifelnd eine Braue hoch. »Ich denke, du hast mehr gehört, als gut für dich ist, Mädchen. Und im Übrigen gehe ich davon aus, dass du die Kleine bist, die vor Kurzem im Laden war. Hast du auch einen Namen?«
Kady öffnete den Mund und schloss ihn dann wieder. »Den verrate ich Ihnen nicht«, flüsterte sie.
»Das ist klug von dir.« Miss Benjamin nickte anerkennend und verschränkte ihre Hände auf der Tischplatte zwischen ihnen. »Aber diese Begegnung sollte dir zeigen, dass wir deinen Namen gar nicht brauchen, um dich zu finden.«
Kady schluckte und nickte.
»Gutes Kind. Ich werde dir jetzt eine Frage stellen, auf die ich eine ehrliche Antwort erwarte. Dir ist doch ganz bestimmt daran gelegen, heute Abend noch heil nach Hause zu kommen, nicht wahr?« Sie beugte sich vor und senkte die Stimme. »Ich werde es merken, wenn du mich anlügst, Mädchen. Ich kann es riechen. Stell mich also lieber nicht auf die Probe.«
Kadys Herz hämmerte schmerzhaft gegen ihre
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