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Malina

Malina

Titel: Malina Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingeborg Bachmann
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Geschichten, mit ihrem Mann oder ihren Männern. Das Denken daran nimmt tatsächlichden größten Teil der Zeit jeder Frau in Anspruch. Sie muß aber daran denken, weil sie sonst buchstäblich, ohne ihr nie erlahmendes Gefühlstreiben, Gefühlantreiben, es niemals mit einem Mann aushalten könnte, der ja ein Kranker ist und sich kaum mit ihr beschäftigt. Für ihn ist es ja leicht, wenig an die Frauen zu denken, denn sein krankes System ist unfehlbar, er wiederholt, er hat sich wiederholt, er wird sich wiederholen. Wenn er gerne die Füße küßt, wird er noch fünfzig Frauen die Füße küssen, warum soll er sich also beschäftigen in Gedanken, bedenklich wegen eines Geschöpfs, das sich zur Zeit gern von ihm die Füße küssen läßt, so meint er jedenfalls. Eine Frau muß aber damit fertig werden, daß jetzt ausgerechnet ihre Füße an der Reihe sind, sie muß sich unglaubliche Gefühle erfinden und den ganzen Tag ihre wirklichen Gefühle in den erfundenen unterbringen, einmal damit sie das mit den Füßen aushält, dann vor allem, damit sie den größeren fehlenden Rest aushält, denn jemand, der so an Füßen hängt, vernachlässigt sehr viel anderes. Überdies gibt es noch die ruckartigen Umstellungen, von einem Mann zum andern muß sich ein Frauenkörper alles abgewöhnen und wieder an etwas ganz Neues gewöhnen. Aber ein Mann zieht mit seinen Gewohnheiten friedlich weiter, manchmal hat er eben Glück damit, meistens keines.
    Malina ist nicht zufrieden mit mir: Das ist mir aberganz neu, ich war so überzeugt, du magst Männer, und es haben dir immerzu Männer gefallen, allein ihre Gesellschaft war dir unentbehrlich, wenn schon nicht mehr ...
    Natürlich haben mich immer Männer interessiert, aber eben deswegen, man muß sie ja nicht gleich mögen, die meisten habe ich überhaupt nicht gemocht, nur fasziniert haben sie mich immer, schon weil man denkt: wie wird das jetzt nach dem Biß in die Schulter weitergehen, was verspricht er sich davon? Oder jemand dreht dir einen Rücken zu, über den einmal eine Frau, lange vor dir, mit den Fingernägeln, mit fünf Krallen, diese fünf Striemen, für immer sichtbar, gezogen hat, du bist völlig verstört; zumindest verlegen, was sollst du anfangen mit diesem Rücken, der dir immerzu etwas vorhält, die Erinnerung an eine Ekstase oder einen Schmerzanfall, welchen Schmerz sollst du noch empfinden, in welche Ekstase noch geraten? Ich habe die längste Zeit überhaupt keine Gefühle gehabt, denn es war mir in diesen Jahren der Verstand gekommen. Nur im Kopf hatte ich natürlich; wie alle anderen Frauen, trotzdem immer die Männer, aus den schon erwähnten Gründen, und ich bin sicher, die Männer wiederum hatten mich sehr wenig in ihrem Kopf, nur nach Feierabend, an einem freien Tag vielleicht.

    Malina: Keine Ausnahme?
    Ich: Doch. Eine Ausnahme
    Malina: Wie kommt es zu einer Ausnahme?
    Das ist doch ganz einfach. Du mußt nur zufällig jemand unglücklich genug machen, jemand zum Beispiel nicht helfen, eine Dummheit wiedergutzumachen. Wenn du sicher bist, daß du dem anderen ein rechtes Unglück angerichtet hast, dann denkt er auch an dich. Sonst machen die meisten Männer aber die Frauen unglücklich, und eine Gegenseitigkeit ist nicht da, denn wir haben es mit dem natürlichen Unglück, dem unabwendbaren, das von der Krankheit der Männer kommt, zu tun, deretwegen die Frauen soviel nachdenken müssen und, kaum angelernt, wieder umlernen müssen, denn wenn man über jemand immerzu nachdenken muß und für ihn Gefühle erzeugen muß, dann wird man regelrecht unglücklich. Das Unglück verdoppelt, verdreifacht, verhundertfacht sich mit der Zeit obendrein. Jemand, der dem Unglück ausweichen möchte, bräuchte nur nach ein paar Tagen jedes Mal Schluß zu machen. Es ist unmöglich, unglücklich zu sein, jemandem nachzuweinen, wenn er einen nicht schon gründlich unglücklich gemacht hat. Niemand weint dem jüngsten oder schönsten Mann, dem besten Mann oder dem klügsten Mannschon nach wenigen Stunden nach. Aber ein halbes Jahr, mit einem ausgemachten Schwätzer, einem notorischen Dummkopf verbracht, mit einem widerwärtigen, von den seltsamsten Gewohnheiten beherrschten Schwächling, das hat schon recht starke und vernünftige Frauen ins Wanken gebracht, in den Selbstmord getrieben, bitte, denk nur an die Erna Zanetti, die wegen dieses Dozenten für Theaterwissenschaft, man bedenke nur, wegen eines Theaterwissenschaftlers! vierzig Schlaftabletten geschluckt haben soll, und

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