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Malina

Malina

Titel: Malina Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingeborg Bachmann
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unterhalten, denn mir ist aufgefallen, daß wir noch nie über Männer geredet haben, daß du nie nach den Männern fragst. Du hast aber dein altes Buch nicht sehr klug versteckt. Ich habe heute darin gelesen, es ist nicht gut, du beschreibst zum Beispiel einen Mann, dich selber vermutlich, vor dem Einschlafen, aber dafür könnte höchstens ich Modell gestanden sein. Männer fallen immer sofort in den Schlaf. Aber weiter: warum findest du die Männer nicht so ungemein interessant wie ich?
    Malina sagt: Vielleicht stelle ich mir alle Männer wie mich selber vor.
    Ich erwidere: Das ist die verkehrteste Vorstellung, die du dir machen kannst. Eher dürfte sich eine Frau vorstellen, sie sei wie alle anderen, und das aus besseren Gründen. Es hängt nämlich wieder mit den Männern zusammen.
    Malina hebt zum Schein entrüstet die Hände: Bitte aber keine Geschichten oder nur einige Stellen aus ihnen, wenn sie komisch genug sind. Sag, was sich ohne Indiskretion sagen läßt.
    Malina sollte mich doch kennen!
    Ich fahre fort: Die Männer sind nämlich verschieden voneinander, und eigentlich müßte man in jedem einzelnen einen unheilbaren klinischen Fall sehen, es reicht also keineswegs aus, was in den Lehrbüchern und in den Sachbüchern steht, um auch nur einen einzigen Mann in seiner Elementarität zu erklären und zu verstehen. Tausendmal besser läßt sich das Zerebrale an einem Mann verstehen, für mich jedenfalls. Nur das, was allen gemeinsam sein soll, ist es ganz gewiß nicht. Was für ein Irrtum! Dieses Material, das eine Generalisierung zuließe, könnte man in Jahrhunderten nicht zusammentragen. Eine einzige Frau muß schon mit zuviel Merkwürdigkeiten fertig werden, und das hat ihr vorher niemand gesagt, auf welche Krankheitserscheinungen sie sich einstellen muß, man könntesagen, die ganze Einstellung des Mannes einer Frau gegenüber ist krankhaft, obendrein ganz einzigartig krankhaft, so daß man die Männer von ihren Krankheiten gar nie mehr wird befreien können. Von den Frauen könnte man höchstens sagen, daß sie mehr oder weniger gezeichnet sind durch die Ansteckungen, die sie sich zuziehen, durch ein Mitleiden an dem Leiden.
    Du bist heute ja in einer sehr mutwilligen Stimmung. Es fängt mich jetzt doch zu amüsieren an.
    Ich sage glücklich: Es muß ja einen Menschen schon in die Krankheit führen, wenn er selber so wenig Neues erlebt, sich immerzu wiederholen muß, ein Mann zum Beispiel beißt mich ins Ohrläppchen, aber nicht weil es mein Ohrläppchen ist oder weil er, vernarrt in das Ohrläppchen, unbedingt hineinbeißen muß, sondern er beißt, weil er alle anderen Frauen auch in die Ohrläppchen gebissen hat, in kleine oder größere, in rotblaue, in blasse, in fühllose, in gefühlvolle, es ist ihm völlig gleich, was die Ohrläppchen dazu meinen. Du mußt zugeben, daß das ein folgenreicher Zwang ist, wenn man sich, ausgerüstet mit einem mehr oder weniger großen Wissen und einer in jedem Fall geringen Anwendungsmöglichkeit dieses Wissens, auf eine Frau stürzen muß, womöglich jahrelang, einmal, das geht ja noch, einmal hält das ja jede aus. Das erklärt auch einen insgeheimen dumpfen Verdachtder Männer, denn sie können sich nicht eigentlich vorstellen, daß eine Frau sich natürlich ganz anders verhalten muß mit einem anderen kranken Mann, weil ihm die Verschiedenheiten nur ganz oberflächlich und äußerlich vorschweben, eben diejenigen, die von Mund zu Mund gehen oder die von der Wissenschaft in ein verschlimmerndes falsches Licht gerückt werden. Malina kennt sich wirklich nicht aus. Er sagt: Ich habe mir gedacht, einige unter den Männern müßten doch besonders begabt sein, jedenfalls erzählt man es manchmal von jemand weiter oder man spricht im allgemeinen davon – sagen wir einmal von den Griechen. (Malina sieht mich so listig an, dann lacht er, ich lache auch.) Ich bemühe mich, ernst zu bleiben: In Griechenland habe ich zufällig Glück gehabt, aber auch nur einmal:Glück hat man manchmal, die meisten Frauen haben aber bestimmt nie Glück. Was ich meine, hat nichts damit zu tun, daß es angeblich einige gute Liebhaber gibt, es gibt nämlich keine. Das ist eine Legende, die muß einmal zerstört werden, es gibt höchstens Männer, mit denen es völlig hoffnungslos ist, und einige, mit denen es nicht ganz so hoffnungslos ist. Darin ist der Grund dafür zu suchen, nach dem noch niemand gesucht hat, warum nur die Frauen immerzu den Kopf voll haben mit ihren Gefühlen und ihren

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