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Malina

Malina

Titel: Malina Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingeborg Bachmann
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angestrengt, nicht weiß, wie er gehen soll, mit welchem Wort, drehe ich rasch das Licht aus, und er findet schon hinaus, weil das Licht im Korridor brennt. Hinter Ivan höre ich die Tür zufallen.
    Es erschreckt mich das gewohntere Geräusch, Malina sperrt die Tür auf. Er bleibt einen Moment vor meiner Schlafzimmertür stehen, und weil ich etwas Freundliches sagen möchte, auch wissen möchte, ob ich die Stimme verloren habe, ob ich meine Stimme noch habe, sage ich: Ich bin gerade schlafen gegangen, ich war beinahe schon am Einschlafen, sicherbist du auch sehr müde, geh nur schlafen. Aber Malina kommt nach einer Weile aus seinem Zimmer zurück und kommt durch das Dunkel zu mir. Er knipst das Licht an, und ich erschrecke wieder, er nimmt die kleine Blechbüchse mit den Schlaftabletten und zählt sie nach. Es sind meine Schlaftabletten, es macht mich zornig, aber ich sage nichts, ich sage heute überhaupt nichts mehr.
    Malina sagt: Du hast schon drei genommen, ich glaube, das genügt.
    Wir fangen zu streiten an, ich sehe es kommen, daß wir aneinandergeraten. Wir werden jetzt unvermeidlich aneinandergeraten.
    Ich sage: Nein, erst eineinhalb, du siehst doch, daß die eine halbiert ist.
    Malina sagt: Ich habe sie heute morgen gezählt, es fehlen drei.
    Ich sage: Es waren höchstens zweieinhalb, und eine halbe zählt nicht ganz mit.
    Malina nimmt die Tabletten, steckt sie in seine Rocktasche und geht aus dem Zimmer.
    Gute Nacht.
    Ich springe aus dem Bett, sprachlos, hilflos, er hat die Tür zugeworfen, ich kann es nicht ertragen, daß eine Tür zugeworfen wird, daß er nachzählt, ich habe ihn heute morgen nicht gebeten, nachzusehen, es könnte zwar sein, daß ich ihn gerade heute gebeten habe darum, sie mir in diesen Tagen nachzuzählen, weil ich mir nichts mehr merken kann. Aber wie kann Malina es wagen, mir jetzt diese Tabletten vorzurechnen, er weiß doch nicht, was geschehen ist, und ich schreie plötzlich, die Tür aufreißend: Aber du weißt doch gar nichts!
    Er öffnet seine Tür und fragt: Hast du etwas gesagt?
    Ich bitte Malina: Gib mir noch eine, ich brauche sie wirklich!
    Malina sagt endgültig: Du bekommst keine mehr. Wir gehen schlafen.
    Seit wann behandelt mich Malina so? Was will er? Daß ich Wasser trinke und auf und ab gehe, Tee koche und auf und ab gehe, Whisky trinke und auf und ab gehe, aber es ist auch keine Whiskyflasche in der ganzen Wohnung zu finden. Eines Tages wird er noch von mir verlangen, daß ich nicht mehr telefoniere und daß ich Ivan nicht mehr sehe, aber das wird er nie erreichen. Ich liege wieder da und stehe wieder auf und überlege. Leise gehe ich in Malinas Zimmer, ich suche im Dunkeln nach seiner Jacke, greife in alle Taschen, aber ich finde die Tabletten nicht, ich taste jeden Gegenstand in seinem Zimmer ab, und dann greife ich sie endlich, auf einem Bücherstapel, und lasse aus der Blechschachtel zwei Stück in meine Hand gleiten, eine für jetzt und eine für später in der Nacht, zur Vorsicht, und ich bringees auch fertig, die Tür wieder so leise zuzumachen, daß er mich unmöglich hören kann. Die beiden Tabletten liegen neben mir auf dem Nachttisch, das Licht brennt, ich nehme sie nicht, es sind viel zuwenig, und ich bin bei Malina eingedrungen und habe ihn betrogen, er wird es bald wissen. Ich habe es aber nur getan, um ruhiger zu werden, aus keinem anderen Grund. Wir werden bald alles wissen. Denn lange kann es so nicht mehr weitergehen. Ein Tag wird kommen. Ein Tag wird kommen, und es wird nur die trockene heitere gute Stimme von Malina geben, aber kein schönes Wort mehr von mir, in großer Erregung gesagt. Malina macht sich viel zu viele Sorgen. Schon Ivans wegen, damit auf Ivan nichts fällt, damit Ivan nichts trifft, kein Schatten einer Schuld, da Ivan keine Schuld hat, würde ich keine vierzig Tabletten nehmen, aber wie sage ich es Malina, daß ich nur ruhig bleiben will, daß ich mir nichts antue, um Ivan nichts anzutun. Ich muß nur ruhiger werden, denn es ist nicht gesagt, daß Ivan nicht gelegentlich anrufen wird.
    Exzellenz, Generalissimus, Malina Esqu., ich muß dich noch einmal etwas fragen. Gibt es ein Vermächtnis?
    Was willst du mit einem Vermächtnis? Was meinst du damit?
    Ich möchte das Briefgeheimnis wahren. Aber ich möchte auch etwas hinterlassen. Verstehst du mich denn absichtlich nicht?
    Da Malina schläft, fange ich zu schreiben an. Fräulein Jellinek ist längst verheiratet, es kann niemand mehr Briefe für mich schreiben, einordnen und

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