Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Malina

Malina

Titel: Malina Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingeborg Bachmann
Vom Netzwerk:
eine Abhaltung haben, eine Verabredung. Herr Mühlbauer hat einen ganzen Nachmittag verloren, er läßt es mich merken, packt mißgelaunt das Gerät ein und empfiehlt sich, er sagt: Küß die Hand.)
    Zu Ivan am Telefon:
    Oh, nichts Besonderes, ich habe nur
    Wie klingst du denn, hast du geschlafen
    Nein, nur erschöpft, den ganzen Nachmittag
    Bist du allein, sind die Leute
    Ja, weg, der ganze Nachmittag auch
    Ich habe den ganzen Nachmittag versucht
    Ich habe den ganzen Nachmittag verloren
    Ivan ist lebhafter als ich. Wenn er nicht erschöpft ist, ist alles Bewegung an ihm, aber wenn er müde ist, dann ist er entschieden müder als ich, und nur dann macht der Altersunterschied ihn böse, er weiß, daß er böse ist, er will böse sein, heute muß er ganz besonders bös zu mir sein.
    Wie du dich verteidigst!
    Warum verteidigst du dich?
    Angreifen muß man, greif mich doch an!
    Zeig mir die Hände, nein, nicht innen
    Ich bin ja kein Handleser
    Man sieht es an der Haut auf den Händen
    Ich sehe es bei den Frauen sofort
    Aber diesmal habe ich gewonnen, denn bei mir zeigt sich nichts auf den Händen, hier runzelt sich keine Haut. Doch Ivan greift wieder an.
    Oft kann ich es in deinem Gesicht sehen
    Damals hast du alt ausgesehen
    Manchmal siehst du richtig alt aus
    Heute siehst du zwanzig Jahre jünger aus
    Lach mehr, lies weniger, schlaf mehr, denk weniger
    Das macht dich doch alt, was du machst
    Graue und braune Kleider machen dich alt
    Verschenk deine Trauerkleider ans Rote Kreuz
    Wer hat dir diese Grabkleider erlaubt?
    Natürlich bin ich böse, ich habe Lust, böse zu sein
    Gleich siehst du jünger aus, ich treib dir das Alter aus!
    Ivan, der kurz eingeschlafen ist, wacht auf, ich komme vom Äquator zurück und noch bewegt von einem Jahrmillionenereignis.
    Was hast du denn?
    Nichts, ich erfinde.
    Das wird was Rechtes sein!
    Meistens erfinde ich etwas. Ivan hält sich die Hand vor den Mund, damit ich nicht merken soll, daß er gähnt. Er muß sofort gehen. Es ist Viertel vor zwölf. Es wird Mitternacht.

    Gerade habe ich erfunden, wie ich die Welt doch noch verändern kann!
    Was? du auch? die Gesellschaft, die Verhältnisse? das muß ja heutzutage der reinste Wettbewerb sein.
    Interessiert es dich wirklich nicht, was ich erfinde?
    Heute bestimmt nicht, du wirst wohl eine mächtige Eingebung haben, und Erfinder soll man nicht bei der Arbeit stören.
    Um so besser, ich erfinde es also allein, aber laß es mich erfinden für dich.
    Ivan ist nicht gewarnt vor mir. Er weiß nicht, mit wem er umgeht, daß er sich befaßt mit einer Erscheinung, die auch täuschen kann, ich will Ivan nicht in die Irre führen, aber für ihn wird nie sichtbar, daß ich doppelt bin. Ich bin auch Malinas Geschöpf. Ivan hält sich sorglos an die Erscheinung, meine Leibhaftigkeit ist ihm ein Anhaltspunkt, vielleicht der einzige, aber mich stört sie, nie darf in mir die Idee aufkommen, während wir reden, daß wir in einer Stunde oder gegen Abend oder so spät nachts auf dem Bett liegen werden, denn es könnten die Wände plötzlich aus Glas sein, es könnte das Dach abgenommen werden. Eine äußerste Beherrschung läßt mich Ivan vorher gegenübersitzen und schweigen und rauchen und reden. Aus keiner Handbewegung, aus keinem Wort könnte jemand entnehmen,was möglich ist und daß es möglich wird. In einem Moment heißt es: Ivan und ich. In einem anderen Moment: wir. Dann gleich wieder: du und ich. Zwei Wesen sind es, die nichts miteinander vorhaben, nicht die Koexistenz wollen, keinen Aufbruch woandershin und in ein anderes Leben, nicht Abbruch, keine Vereinbarung auf eine vorherrschende Sprache. Auch ohne Dolmetscher kommen wir aus, ich erfahre nichts über Ivan, er erfährt nichts von mir. Wir treiben keinen Handelsaustausch von Gefühlen, haben keine Machtpositionen, erwarten keine Waffenlieferung zur Unterstützung und Sicherung unserer Selbst. Die Basis ist locker und gut, und was auf meinen Boden fällt, das gedeiht, ich pflanze mich fort mit den Worten und ich pflanze auch Ivan fort, ich erzeuge ein neues Geschlecht, aus meiner und Ivans Vereinigung kommt das Gottgewollte in die Welt:
    Feuervögel
    Azurrite
    Tauchende Flammen
    Jadetropfen
    Sehr geehrter Herr Ganz,
    das erste, was mich an Ihnen gestört hat, war der gespreizte kleine Finger, als Sie in einer Runde von Leuten sich in Szene setzten und Ihre Aperçus zumbesten gaben, die der Tischrunde und mir neu erschienen, mir aber bald nicht mehr, da ich sie noch viele Male von Ihnen hörte,

Weitere Kostenlose Bücher