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Malina

Malina

Titel: Malina Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingeborg Bachmann
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München zu sein. Ich habe nicht fliegen können, es war kein gutes Omen, das Flugzeug ist auch nie bis nach München gekommen, sondern mit Verspätung und einem Fahrgestellschaden in Nürnberg gelandet. Ich weiß nicht, warum solche Leute meinen Weg kreuzen und warum einige andauernd etwas von mir wollen. Heute sind zwei Franzosen gekommen, deren Namen ich nicht einmal verstanden habe, mit einer Empfehlung, sie bleiben bis zwei Uhr nachts und ohne Grund, ich weiß es einfach nicht, warum Leute in das Haus kommen und stundenlang nicht gehen, warum sie ihre Absichten verschweigen. Vielleicht haben sie keine Absichten, aber sie gehen nicht, und ich kann nicht telefonieren. Dann bin ich froh, daß Frances und Trollope noch eine Weile bleiben, meine Kostgänger sind, mir Gelegenheit geben, für eine halbe Stunde aus dem Zimmer zu gehen, weil sie Kitkat bekommen müssen und kleingehackte frische Lunge, dann zufrieden herumpromenieren, die Unterhaltung mit den Fremden auf sich lenken und verstehen, daß ihre Anwesenheit nützlich für mich ist.
    In spätestens einem Monat wird natürlich die Zeit mit den Katzen zu Ende gehen; sie werden auf die Hohe Warte zurückkehren oder aufs Land gebracht werden, Frances wird zu rasch wachsen und dann bald Junge bekommen, danach sollte man sie sterilisieren lassen, auch Ivan meint das, mit dem ich über Frances’ Zukunft gesprochen habe, er ist mehr dafür als dagegen, und ich habe mir nicht anmerken lassen, daß ich Frances nicht größer sehen, nicht in die Hitze kommen lassen möchte, daß sie eine kleine Katze bleiben soll, die nie Junge kriegt, weil ich möchte, daß alles bleibt, wie es ist, damitmir auch Ivan nicht älter wird um Monate, in den nächsten Monaten. Aber das kann ich auch Herrn Kopecky nicht sagen, der alles über Katzen weiß, weil er einmal fünfundzwanzig gleichzeitig gehabt hat und immer noch vier Katzen hält, der auch alles weiß über das Verhalten der Rif-Affen und über die Rattenverbände und über deren faszinierende Eigenarten, aber ich kann nicht zuhören, kaum behalten, was er, sehr lustig, von allen seinen Katzen erzählt, von der Eifersucht eines Siamexemplars, der Rose von Stambul, von dem Selbstmord seiner persianischen Lieblingskatze Aurora, die sich, er kann es immer noch nicht fassen, aus dem Fenster gestürzt hat. Frances ist nicht siamesisch und nicht persianisch, nur eine zierliche gestreifte, mitteleuropäische Hinterhofkatze, nach Wien zuständig, von keiner Rasse, und Trollope, ihr Bruder, ist weiß ausgefallen, mit einigen schwarzen Flecken im Fell, ein Phlegmatiker, voller Behagen, der nie greint wie Frances, ein gehörig schnurrender Kater, der zu mir aufs Bett springt, auf meinem Rücken sitzt, wenn ich lese, bis zur Schulter vorgeht und mit mir in die Bücher sieht. Denn Frances und Trollope lesen am liebsten mit mir. Wenn ich sie verscheuche, klettern sie in der Bibliothek herum und verstecken sich hinter den Büchern, sie arbeiten hart, bis ein paar Bücher locker werden und krachend auf den Boden fallen. Dann weiß ich wieder, wo sie sich versteckthaben und ihr Unwesen treiben. Es wird höchste Zeit, daß Béla und András ihre Katzen zurückbekommen oder daß Ivans Mutter sie auf dem Land unterbringt. Herrn Kopecky habe ich nur erzählt, daß ich sie vorübergehend behalte, bis Freunde von mir, irgendwelche, nicht näher bezeichenbare Freunde, nach Wien zurückkämen, von einer Reise. Malina bitte ich aber, noch ein wenig Geduld zu haben, er hat nichts gegen Katzen, aber Katzen in unserer Wohnung, die seine Papiere verstreuen, seinen Schreibtisch abräumen und in Momenten, wo wir es am wenigsten erwarten, Bücher aus der Bibliothek stoßen, sind nichts, was er auf die Dauer zu ertragen imstande ist. Er riecht auch neuerdings in der ganzen Wohnung den Katzenurin, ich gewöhne mich daran, aber Lina ist mit Malina im Bund, sie stellt ein Ultimatum: sie oder die Katzen.
    Malina sagt: Das war wieder einer deiner glücklichen Einfälle, an den Sandkasten wirst du sie nie gewöhnen, sie nehmen dich nicht ernst, schaff dir Meerschweinchen an oder Kanarienvögel oder Papageien, nein, lieber doch nicht, die sind mir zu laut! Malina hat kein Verständnis für herumwildernde Katzen, die zwei Kindern gehören, Malina ist auf seine Ruhe bedacht, er findet Frances und Trollope nicht nett, nicht witzig und drollig. Aber wenn ich vergesse, diese netten Katzen zu füttern, denkt Malina daran, er tut es, als hätte er es immergetan, er vergißt es

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