Malina
Festspiele gestohlen bleiben können. Christine preßt sich die Hände an die Schläfen, es geht ihr hier alles auf die Nerven. Im Garten pflanzt sie Salat und Kräuter, in alles, was sie kocht, tut sie ihre Kräuter, sie leben hier so einfach, unvorstellbar einfach, heute macht Xandl einfach einen Milchreis, es ist Christines freier Abend. Sie hält sich wieder die Hände an die Schläfen, zieht mit den Fingern durch die Haare. Schwimmen gingen sie praktisch nie, man stolpere ja überall über Bekannte, und damit sei ich im Bilde. Dann fragt Christine: So? bei den Altenwyls? Na ja, Geschmacksache, die Antoinette ist ja eine bezaubernde Person, aber der Atti, wie du das aushältst, wir verkehren ja nicht miteinander, ich glaube, er ist nichts wie eifersüchtig auf den Xandl. Ich sage erstaunt: Aber wieso denn? Christine sagt abfällig: Der Atti hat doch auch einmal gemalt oder gezeichnet, was weiß ich, na ja, er vertragt halt nicht, daß einer wirklich was kann, wie der Xandl, so sind sie doch alle, diese Dilettanten, mir liegt ja an so einem Verkehr überhaupt nichts, praktisch kenne ich den Atti gar nicht, ich sehe die Antoinette hie und da im Ort und in Salzburg beim Friseur, nein, in Wien nie, im Grund sind sie doch so stockkonservativ, was sie gar nicht sein möchten, und auch die Antoinette, obwohl sie viel Charme hat, aber vonmoderner Kunst, bitte, keinen Schimmer, und daß sie den Atti Altenwyl geheiratet hat, davon steigt sie nicht herunter, Xandl, was ich denke, das sage ich, wie ich bin, bin ich, du machst mich heute einfach rasend, hörst du! und ich hau den Kindern noch eine herunter, wenn mir noch einmal eines in die Küche kommt, bitte, trau dich doch, einmal zum Atti Herr Doktor Altenwyl zu sagen, das möchte ich erleben, das Gesicht, was er dann machen täte, das hält er einfach nicht für möglich, der überzeugte Republikaner mit seiner rötlichen Färbung, und wenn auch hundertmal auf seiner Visitenkarte Dr. Arthur Altenwyl steht, dann freut ihn das nur, weil doch trotzdem noch jeder weiß, wer er ist. So sind sie eben alle!
Bei den Mandls, im Nebenhaus, die von Jahr zu Jahr amerikanischer werden, sitzt im Livingroom ein junger Mann herum, Cathy Mandl flüstert mir zu, er sei outstanding, wenn ich recht verstanden habe, als Schriftsteller, und wenn ich den Namen verstanden habe, muß er entweder Markt oder Marek heißen, ich habe noch nie etwas von ihm gelesen oder gehört, er muß eben erst entdeckt worden sein oder seiner Entdeckung durch Cathy harren. Nach den ersten zehn Minuten fragt er mit einer unverhüllten Gier nach den Altenwyls, und ich gebe sparsameAntworten, manchmal gar keine. Was macht denn der Graf Altenwyl eigentlich? fragt das junge Genie, und immerfort weiter, wie lange ich den Grafen Altenwyl schon kenne und ob ich mit ihm wirklich befreundet sei und ob es wahr sei, daß der Graf Altenwyl ... Nein, ich habe keine Ahnung, ich habe ihn noch nie gefragt, was er macht. Ich? Vielleicht zwei Wochen. Segeln? Vielleicht. Ja, ich glaube, sie haben zwei Boote oder drei, ich weiß es nicht. Mag schon sein. Was will der Herr Markt oder Herr Marek? Eine Einladung zu den Altenwyls oder will er nur immerzu diesen Namen aussprechen? Cathy Mandl sieht dicklich und freundlich aus, krebsrot, weil sie nicht braun wird, sie näselt ein wienerisches Amerikanisch und ein amerikanisches Wienerisch. Sie ist die große Seglerin in der Familie, die einzig seriöse danger für den Altenwyl, wenn man den Leibl als professional ausnimmt. Herr Mandl spricht wenig und sanftmütig, er schaue lieber zu. Er sagt: Sie haben keine Ahnung, was für eine Energie in meiner Frau steckt, wenn sie nicht bald auf ihr Boot kommt, gräbt sie jeden Tag unseren Garten um und stellt das Haus auf den Kopf, manche Leute leben eben und andere schauen ihnen beim Leben zu, ich gehöre zu denen, die zuschauen. Sie auch?
Ich weiß es nicht. Ich bekomme einen Wodka mit Orangensaft. Wann habe ich dieses Getränk schon einmal getrunken? Ich schaue in das Glas, als stünde ein zweites darin, und es fällt mir wieder ein, es wird mir ganz heiß, ich möchte das Glas fallen lassen oder ausschütten, weil ich Wodka mit Orangensaft einmal hoch oben in einem Haus getrunken habe, in meiner schlimmsten Nacht, es wollte mich jemand aus dem Fenster stürzen, und ich höre nicht mehr, was Cathy Mandl sagt über die International Yacht Racing Union, in der sie natürlich ist, ich trinke, dem sanftmütigen Herrn Mandl zuliebe, das Glas aus, er
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