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Malina

Malina

Titel: Malina Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingeborg Bachmann
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drückt am Fensterverschluß. Das ist halt heutzutag alles nur noch eine Pfuscherei, was diese Handwerker bei uns! Mais les artisans chez nous, je Vous en pris, c’est partout la même chose! Mes chers amis, Vous avez vu, comment on a détruit Salzburg, même Vienne! Mais chez nous à Paris, c’est absolument le même, je Vous assure! Also Antoinette, ich bewundere dich, was du heute noch alles auftreibst! Ja, ohne die Antoinette, die aber auch was durchsteht! Nein, wir haben uns einganz einfaches Service aus Italien kommen lassen, aus Vietri, das ist dort unten, du weißt schon, bevor man nach Salerno kommt! Und mir fällt ein großer wunderbarer Teller aus Vietri ein, graugrün, mit einer Blätterzeichnung, gebrannt und verschwunden, mein erster Obstteller, warum muß heute nicht nur Wodka mit Orangensaft vorkommen, sondern auch Keramik aus Vietri? Vous êtes sure qu’il ne s’agit pas de Fayence? Jesus, ruft Antoinette, der Onkel Gontran macht mich ganz schwindlig, bitte so helfts mir doch, ich habe noch gar nicht verstanden, daß Fayence sich womöglich von Faenza herschreibt oder direkt dasselbe ist, man lernt eben nie aus. Bassano di Grappa? Il faut y aller une fois, Vous prenez la route, c’était donc, tu te rappelles, Marie? Non, sagt diese Marie froidement, und der alte Beaumont schaut zögernd zu seiner Tochter hinüber und hilfesuchend zu mir, aber Antoinette lenkt, wegen der kalten Marie, schon wieder rasch nach Salzburg ab und stochert im falschen Hasen herum, zu mir flüstert sie: Nein, so wie sonst ist der falsche Has’ heute nicht. Zu den anderen laut: Übrigens die Zauberflöte, warts ihr alle drin? und was sagts ihr jetzt dazu? Anni, sagen Sie der Josefin, heute hat sie mich aber richtig enttäuscht, sie weiß schon warum, das brauchen Sie ihr gar nicht zu erklären. Was sagts ihr aber erst zum Karajan? mir war dieser Mann ja immer ein Rätsel!
    Atti glättet die Wogen zwischen dem zu trockenen falschen Hasen, dem Verdi-Requiem, das Karajan ohne Antoinettes Zustimmung dirigiert hat, und der Zauberflöte, die ein bekannter deutscher Regisseur inszeniert hat, dessen Namen Antoinette genau weiß, aber zweimal verwirrt falsch ausspricht, nicht anders als Lina, die so oft böswillig zwischen Zoschke und Boschke schwankt. Aber Antoinette ist schon wieder bei Karajan, und Atti sagt: Aber ich bitte euch, der Antoinette ist doch jeder Mann ein vollkommenes Rätsel, und das macht sie ja so schön weltfremd und charmant für die Männer. Antoinette lacht ihr angeheiratetes, unnachahmliches altenwylsches Lachen, denn wenn Fanny Goldmann auch noch immer die schönste Frau Wiens ist und auf die schönste Art Sie sagt, so würde Antoinette der Preis für das schönste Lachen zufallen. Ah, das ist ganz der Atti! mein Lieber, du weißt gar nicht, wie recht du da hast, was aber das Ärgste ist, sagt sie mit einer Koketterie, die jetzt ihrem Teller mit dem Griesflammeri gilt, aus dem sie einen Dessertlöffel voll nimmt und auf halber Höhe mit einer graziös abgewinkelten Hand vor sich schweben läßt (ah, die Josefin ist doch unbezahlbar, genau so ist das Flammeri richtig, aber ich werde mich hüten, ihr das zu sagen) – was aber das Ärgste ist, Atti, du bist mir noch immer das allergrößte Rätsel, bitte, widersprich nicht! Sie errötet rührend, denn sie errötetnoch immer, wenn ihr etwas einfällt, was sie vorher noch nie gesagt hat. Je Vous adore, mon chéri, flüstert sie zärtlich und so laut, daß es doch alle hören. Denn wenn ein Mann uns noch immer die größten Rätsel aufgibt nach zehn Jahren, bitte, zwölf meinetwegen, wir wollen die anderen nicht embetieren mit unseren öffentlichen Geheimnissen, dann hat man das große Los gezogen, habe ich nicht recht? Il faut absolument que je Vous le dise ce soir! Sie schaut, um Beifall besorgt, auch zu mir herüber und wirft Anni dann einen Stahlblick zu, weil Anni drauf und dran war, meinen Teller von der falschen Seite wegzunehmen, aber im nächsten Augenblick ist sie schon wieder imstande, Atti verliebt anzusehen. Sie wirft den Kopf zurück, und ihre aufgesteckten Haare fallen ihr beinahe zufällig über die Schulter, leicht gelockt und goldbraun, sie ist satt und zufrieden. Der alte Beaumont fängt unbarmherzig an, von den alten Zeiten zu reden, das waren noch wirkliche Sommerfrischen gewesen, aus Wien waren Attis Eltern weggezogen, mit Kisten voller Geschirr, Silber und Wäsche, mit den Dienstboten und den Kindern. Antoinette sieht seufzend um sich,

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